Was man doch so alles nicht weiß, denke ich nach meiner Begegnung mit Julia. Und frage mich zweifelnd, ob vielleicht nur ich es bin, die so wenig weiß. Mutlos schiebe ich diesen Post ein paar Tage vor mir her; nicht dass ich das frische Wissen am Ende falsch wiedergebe, dass da auf wackeligen Beinen durch mein rehäugiges Hirn geistert.
Julia ist Restauratorin. Als ich sie anspreche kommt sie gerade von der Arbeit; sie ist müde und kaputt, denn sie hat den ganzen Tag in der Sonne an einer innerstädtischen Außenskulptur gearbeitet, von der ich natürlich noch nie gehört habe.
Restaurateurin … wiederhole ich Julia, aber das ist falsch; es heißt Restauratorin. Das rudimentäre, mit diesem Beruf verknüpfte Bild in meinem Kopf entstammt vage dem Film „Wenn die Gondeln Trauer tragen“; eine leere, kühle Kirche, ernste, ruhige Einzelgängerarbeiter in fleckiger, gleichwohl stilvoller Kleidung drinnen, mit Auge, Geist und Pinsel nur eine Nasenspitze vom Deckenfresko entfernt, während draußen das städtische Leben hastig weiter tobt; unberührt vom Bemühen, die Zeit zu konservieren.
„Ja, manchmal ist man sehr mit sich allein beim arbeiten,“ sagt Julia. „Ich mag das.“ Aber natürlich ist meine Vorstellung lückenhaft: es ist keineswegs so, dass der gemeine Restaurator mit seinem standardisierten Arbeitsköfferchen loswackelt und mal eben schnell antike Kunstwerke rettet. Viel Wissen und Analyse ist erforderlich um diese Arbeit zu machen: um Werkstoffe, Materialien, Geschichte und Kunst. Und von großer Bedeutung ist, den Geist, die Aussage, den Inhalt des künstlerischen Werkes zu erfassen, um seine Lesbarkeit erhalten oder wieder herstellen zu können, ohne es zu verändern, einzugreifen, etwas hinzuzufügen.
Grundsätzlich ergreifen Restauratoren werterhaltende Maßnahmen. „Das klingt doch irgendwie gut.“ sagt Julia und lacht.
„Aber natürlich darf ein Kunstwerk Patina haben und man darf das Alter sehen.“ Oft ist es ein schmaler Grat der Möglich- und Notwendigkeiten, auf dem Restauratoren sich bewegen und Julia schneidet ein fundamentales Thema ihrer Berufsgruppe an: die Ethik. Und so überrascht ich darüber zunächst bin, so schnell wird mir klar, dass dieses Thema durchaus kein Schattendasein führt im Kreise der Restauratoren.
Derart wertschätzend und filigran denken aber nicht alle, die mit Kunst zu tun haben oder aber sie verwalten: „Es gibt einen ziemlichen Unterschied zwischen Gemälden und Außenskulpturen; da wird die Pflege auch gerne mal der Stadtreinigung übertragen, also die sonst Haltestellen sauber machen. Bei Gemälden wäre das undenkbar.“
Für das nächste Jahr plant Julia mit einer Freundin ein interdisziplinäres Symposium zum Thema Ethik, und ich bin überzeugt, dass das nicht nur für Restauratoren interessante Denkanstöße liefern wird (sondern vielleicht auch für jene, die Kunst oder Geschichte oder beides einem Publikum zugänglich machen, worüber Journelle hier nachvollziehbar kritisch nachdenkt).
Es ist furchtbar! Man wiederholt sich ständig hier. Trotzdem! Wieder einmal wunderbar: Fotos + Portrait in Worten!
Liisa; ach weißt du … wiederhol dich gerne. Ich freu mich nämlich drüber …
schön, dass du dich dafür entschieden hast…
ein tolles porträt 🙂
Vielen Dank für einen weiteren, fantastischen Beitrag.
Ich schaue so gerne "deine Menschen" an. Bin so oft berührt, begeistert, erstaunt, überrascht…. Bitte weiter so!
HERZlichst, Meike.
Wunderbar war auch das erste, was mir einfiel. Der natürliche Look von Julia kombiniert mit ihrer Arbeitskleidung hat einen unglaublichen Charme!
Wunderschön ist das vorletztes Bild: Wie ein Gemälde eines Altmeisters.
Nick
"Derart wertschätzend und filigran denken aber nicht alle,"
das bedauere ich sehr…
Mein Lieblingsbild ist das letzte, das Lächeln sieht so ehrlich aus.
Ich kann mich nur Liisa anschließen! Mein absoluter Favorit unter den Fotos ist das, auf dem Julia buchstäblich "auf dem Sprung" ist.
Weil mich mal Buchrestauration interessiert hat, habe ich mich mal ein bisschen mit Restauration beschäftigt. Aber das meiste aus diesem Post wusste ich auch nicht. Daher danke für's Teilen!
Keine Sorge, Smilla, Du hast unseren Berufsstand hier korrekt und sehr passend umschrieben. Und ich wünschte, ich würde NACH der Arbeit auch noch so frisch und energiegeladen rüberkommen wie Julia… Ein sehr schönes Portrait und tolle Fotos!
LG, Bele
W U N D E R S C H Ö N war das erste, was mir in den Sinn kam….Diese bezaubernde Julia, Deine bezaubernden Fotos – naja und Dein Text ist ja sowiewo immer toll! Du hast ein sagenhaftes Talent die Menschen in's rechte Licht zu rücken. Kann mich gar nicht entscheiden, welches Bild mir am besten gefällt. Freue mich immer auf neue Einträge von Dir, auch wenn ich nicht so oft kommentiere 🙂 Liebe Grüße *Hanne*
liebe smilla!
ich find deine posts auch ganz wunderbar!
seit langem schon!
und ich freu mich immer, wenn wieder eine "fortsetzung" folgt!
alles liebe!
waldwanderer
Du hast es soo schön geschrieben! Ich freue mich sehr, dass ich mitgemacht habe und auf diese Weise deinen blog kennengelernt habe! Es macht so einen Spaß darin zu lesen..
Meine homepage ist zwar noch im Aufbau, aber ich habe mir fest vorgenommen (mal sehen, ob das klappt 😉 dort bald auch über aktuelle Ereignisse der "Restauratorenwelt" zu berichten.. Hier schon mal der link: http://www.juliagiebeler.de
Hallo!
Ich bin grade durch Zufall in deinen Blog gestolpert und er hat mich spontan gefesselt, deshalb von mir unbekannterweise ein ganz großes Kompliment!
Leider muss ich jetzt los, aber ich werde wieder vorbeischauen und weiter lesen, was ich noch nicht gelesen habe.
Vielen Dank dafür und einen lieben Gruß ins benachbarte Köln (wenn ich das jetzt richtig verstanden habe :))
Vielen Dank für die ganzen schönen Rückmeldungen!! Das tut echt gut; mein Blog kommt ja etwas zu kurz momentan, weil mir die Zeit und oft die Ruhe fehlt.
Deswegen freue ich mich dann immer sehr, wenn ich merke, dass doch viele treu immer wieder herkommen.
Vielen Dank dafür!
Bele, du bist auch Restauratorin? Wie und wo denn und mit welchem Schwerpunkt?
Liebe Julia, das ist ja toll, dass du hier schreibst, danke!! Freut mich ganz besonders, vor allem, weil mir der Post echt Kopfzerbrechen bereitet hat…
Mir ist übrigens auch die Künstlerin wieder eingefallen, die du erwähnt hattest.
Gib doch mal bescheid wenn deine Ethik-Veranstaltung aktuell wird, das interessiert mich sehr. lg smilla
Ich weiss nicht was ein :"rehäugiges Hirn" ist , und freue mich , dass das einfach nur eine kokkette Flosskel Deinerseits ist, denn sonst müßte ich jetzt mit der moralischen ( besser gesagt moralisierden) Keule der Tierethik rausfahren : Bambi war doch nicht unwissend!. Na ja wie auch immer … es war wieder ein schönes Vis-a-vis mit Julia. Ich bin noch ein Exemplar der für Jean Tinguely geschwärmt hat . Bei dem habe ich mich auch gefragt, wann hört auf darin ein Kunstwerk zu sehen und wann sieht man nur noch den Schrottwert gegenübergestellt den Rastaurierungskosten
Immer und immer wieder wird mir WARM UMS HERZ, liebe Smilla – warm wegen Deiner/Ihrer Beiträge und natürlich auch wegen einer klugen, jungen und so schönen Frau wie Julia!
Auch wie immer: 1000 Dank für die Entdeckungen, die wir teilen dürfen!
Und 1001 Grüße aus München von Heike W.
Was für eine hübsche, junge Frau.
Spannender Beruf.
Schöne Bilder, Smilla.
Einen schönes Wochenende wünscht
Oona
Wir sind uns schon bei der Mode aus Istanbul begegnet…
LG, Bele
Eine toll Frau! Ich finde das Foto, wo sie von der Gitterbox herunterspringt so sagenhaft! So perfekt getroffen. Die Spannung in den schönen Händen .. der Schwung der Haare! Toll!
Übrigens beeindruckt mich die schottische Lady aus Glasgows Nähe auch sehr! So warm und klug!
Danke wieder mal – wenn ich auch selten kommentiere – ich schätze deine Post so sehr!
liebe Grüße von Ellen