Tutanchamun

Als ich Frau M. frage ob ich sie foto­grafieren darf, und ihr erkläre wofür, lacht sie kurz und sagt: „Ha, da sind sie richtig bei mir. Heute ist mein erster Ausflug seit sechs Jahren. Und ich genieße ihn sehr.“ Vielleicht ist es genau das, was meine Aufmerksamkeit gefangen genommen hat; Frau M. hat sich sehr genau umgesehen, bei jedem Schritt. An diesem besonderen Tag hat sie sich eine lang gehegte Sehnsucht erfüllt: die Tutanchamun-Aus­stellung, die derzeit in Köln verweilt. „Ich hab ein Faible für Ägypten, obwohl ich noch nie dort war. Und ich komme wohl auch nicht mehr hin.“ Frau M. ist 86 Jahre alt, und in den letzten sechs Jahren hat sie ihren Mann gepflegt: „Nun ist er in einem Pflegeheim. Da besuche ich ihn jeden Tag, aber ich kann jetzt eben auch mal wieder etwas unternehmen.“ Mit großer Begei­sterung empfiehlt sie mir die Ausstellung, und betont deren anschauliche und multi­mediale Präsentation.
Frau M. ist gelernte Krankenschwester, und war im Alter von 17 bis 19 im Frontlazarett im Einsatz; bis Kriegsende. Das war eine schlimme Zeit, wie sie sagt. Die Begegnung mit Frau M. berührt mich sehr, und ich kann nicht anders als hier von ihrer hellwachen, humorvollen und zugewandten Art zu schwärmen.
Wenn Frau M. über etwas nachdenken muss, oder einfach wieder zu sich finden will, dann legt sie Musik von Bach auf: „Das kann ich nur empfehlen. Eine Kantate, oder eine Passion. Das ist Musik, die einen in eine empfängliche Stimmung versetzt. Das hilft.“
When I ask Mrs. M for a photo, explaining her what for it is, she laughs and replys: „Well, then you definitely bang on target. This is my first side trip since six years. And I enjoy it so much.“ Maybe exactly this is the reason why she caught my attention; Mrs. M. glanced around in a diligent way, at each step. On this special day she fulfilled herself a long-felt want: the Tutankhamun-exhibition, which currently stays in cologne: „I have a yen for Egypt, although I’ve never been there, yet. And probably I won’t make it there anymore.“ Mrs. M. is 86 years old, and during the last six years she took care for her husband: „Now he’s admitted to a nursing home. I visit him every day, but now I have the opportunity to make a trip from time to time.“ She enthusiastically recommends the exhibition to me, pointing out it’s descriptive and multimedia presentation.
Mrs. M is a trained nurse, and at the age from 17 to 19 she was on duty in a military hospital. This has been a rough time, she says. Meeting Mrs. M. touches me, and I can’t help enthusing about her very alert, humorous and approachable appearance.
If Mrs. M. needs to contemplate, or just to come to rest again, she listens to music of Bach: „I can highly recommend that. A cantata or a passion. This music creates a receptive atmosphere. That helps.“
YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

16 Comments

  • Jay sagt:

    Schade, dass sie wahrscheinlich nicht mehr nach Ägypten kommt. Eine wunderbare Dame. 🙂

    Wenn du sie wieder mal siehst, grüße sie von mir. 🙂

  • Anna sagt:

    Ich gebe Frau M. vollkommen recht: Da haben sich (mit euch beiden) die richtigen getroffen! Hat sie das mit der Tutanchamun-Ausstellung von sich aus erzählt oder seid ihr auf's Museum gekommen, weil es kürzlich hier schon Thema war?

    Ich wünsche Frau M. nun viel Freiraum für sich – drinnen mit Bach und draußen vielleicht auch, besser gesagt mit Fluß (Rhein). Auf dass sie sich jeden Tag neu an sich und der (Um)Welt und genau dadurch auch mit neuer Kraft an ihrem Mann erfreuen kann, wenn sie ihn besucht!

    Frontlazarett von 17 – 19 – schon bei der vagen Vorstellung (mehr geht wohl nicht, wenn man's nicht miterlebt hat) wird mir ganz anders… War bestimmt ganz, ganz heftig sowohl für die, die dort gearbeitet haben, als auch für die, die verwundet waren…! Ich bin buchstäblich HEILfroh, ein paar Jahrzehnte später in ein Land geboren worden zu sein, was gerade nicht Kriegsgebiet ist und ziehe meinen Hut vor Frau M. und vor Menschen, die andernorts auch heute unter solchen Kriegsbedingungen leben müssen!

  • Liisa sagt:

    Ach, da geht mir richtig das Herz auf. So knuffig und diesen Ausflug hat sie wahrlich verdient! Ich würde Ihr so gönnen, dass sich Traum von einem Besuch in Ägypten doch noch wahr werden könnte.

  • smilla sagt:

    Liisa, Ja, ich hätte ihr am liebsten auch angeboten, dass ich bei der Verwirklichung helfe!

    Anna, nein, das hat sie von selbst erzählt, als sie von ihrem ersten freien Tag berichtet hat.
    Ich hätte auch gerne mehr erfahren über die Zeit im Lazarett. Was mancher Mensch so erleben muss im Leben..

    Jay, mach ich gern, aber ich glaube das ist unwahrscheinlich. Leider.

  • Rabenblut sagt:

    Liebe Smilla,

    ich bin durch 'Erfreulichkeiten' zu Dir gestoßen und finde es wundervoll, mit wie viel Menschenliebe Du Deine 'Motive' beschreibst und fotografierst. Die alte Dame hast Du ganz wunderbar eingefangen und man möchte sie sofort ans Herz drücken.
    Ich hoffe, dass ich noch sehr viele dieser tollen Portraits von Dir bestaunen kann.

    Alles Liebe aus Bonn,
    Nikola

  • smilla sagt:

    Nikola, das ist aber auch ein Kommentar der zu den Erfreulichkeiten des Tages zählt 🙂 danke sehr!

  • rebhuhn sagt:

    ich hab's ja schon öfter geschrieben, glaub' ich, und bei unserem treffen auch gesagt, aber nochmal:
    dein blog illustriert das, was ich schon 'immer' unformuliert in meinem kopf mit mir rumschleppe und was mir 'keiner' so richtig glaubt; nämlich, daß alle menschen total interessante dinge sagen/machen/tun, und es einfach teilweise selbst nicht von sich glauben… und auch, daß jeder mensch eine eigene faszination ausstrahlt, die zu entdecken sich immer lohnt!

    ach, menschen…

  • Anonym sagt:

    Eine entzückende Dame <3

  • Kuzu-chan sagt:

    Hach.
    Ich würde auch gerne mal die Ausstellung besuchen.

    Tja, nur auch ich finde es schade, dass sie wahrscheinlich Ägypten nicht mehr besuchen kann ~

  • Isidora sagt:

    Ich finde es unglaublich schön, dass diese Dame Musik hört um zu sich zu finden. Ich glaube das ist tatsächlich der Schlüssel für ein erfülltes und beglückendes Leben.
    Mit Musik wird einem die Melodie des Lebens gewahr und es fällt einem nicht schwer seiner eigenen zu folgen.

    Wichtiger finde ich aber mit Menschen zu sprechen, die erlebt haben, was wir alle im Geschichtsunterricht vermittelt bekommen haben. Die Zeit drängt sich mit solchen Menschen auszutauschen und so viel wie möglich zu erfahren. Ich werde ganz sicher meinen Kindern erzählen können was in diesen dunklen Jahren in Deutschland passiert ist, weil ich die Gelegenheit bekommen habe zu zuhören. Zum Glück werde ich auch über einige Lichtblicke in dieser Zeit berichten können.

    Danke für diese Geschichte und @Rebhuhn: Ich denke man muss sich öfter frei machen von Kleidung oder Mimik und Gestik beim Menschen. Hinter all diesen Dingen hat jeder ein ganzes Leben voller Geschichten. Schön, dass Du das auch so siehst.;-)

  • smilla sagt:

    Isidora, was du sagst finde ich sehr wahr; es ist wichtig mit den Mneshcn zu sprechen, die all dies erlebt haben.

    Getsren habe ich noch eine alte Dame angesprochen, die sich leider nicht fotografieren lassen wollte. sie hat erzählt, dass sie als "Zeitzeugin" für eine Sendereihe im Fernsehen gefragt wurde. Sie konnte sich nicht recht entscheiden, ob sie das macht, meinte aber :"…wir sterben ja aus."

    Rebhuhn, tja, seltsam, aber ich kann bei "alle" nicht recht zustimmen. Viele, ja. Alle, mmhh. Hab das jetzt ein paar stunden im Kopf hin und hergeschoben. Aber 'alle', dabei fühle ich mch unbehaglich.

  • rebhuhn sagt:

    Isidora, 😀

    smilla, ich weiß, da haben wir ja schonmal drüber gesprochen… aber ich leide an unverbesserlicher philantropie ;).

  • Oona sagt:

    Das ist wirklich sehr berührend. 86 Jahre. Du liebe Güte und dann hat sie 6 Jahren ihren Mann gepflegt.
    Ich finde, ihren aufgeweckten Geist und die pure Freude kann man in deinen Bildern sehen.
    Danke für diese festgehaltende Begegnung.

  • Anonym sagt:

    Ich bin recht angerührt: die Dame in dem Bericht ist meine Mutter. Du hast sie gut getroffen; es ist erstaunlich,wieviel Lebensmut und Lebensfreude sie sich über alle die Jahre bewahrt hat – und da war noch einiges mehr an Schwerem…
    Menschen, die andere mit einem so freundlichen und wachen Blick betrachten wie du machen die Welt ein wenig besser…
    Jo

  • smilla sagt:

    Jo; danke für deinen Kommentar, das freut mich wirklich sehr. Es war so richtig ganz besonders toll, deine Mutter zu treffen. Sag ihr bitte leibe Grüße, und ich hätte problemlos noch viel länger mit ihr reden wollen, und können. Kann auch gerne die bilder schicken, oder mailen.
    Also, ganz, ganz herzlichen Gruß, und ich freu mich über ne mail: smilla(at)anders-anziehen.de smilla

  • xetto. sagt:

    es is wunderbar- dass es soclhe Menschen auf dem Planeten gibt :))

Schreibe einen Kommentar zu smilla Abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© Smilla Dankert 2019 | Impressum | Datenschutz