Publikum

Frau S. ist zu Besuch in Köln und bis zu ihrer Abreise am Abend hat sie noch zwei Ziele: „Ich möchte mir das Richter-Fenster im Dom ansehen, und danach ins Museum Ludwig.“ Mit diesen beinahe beiläufigen Äußerungen beginnt unser Gespräch, in dessen Verlauf mir rasch klar wird, dass Frau S. sich in ihrem Leben immer sehr der Kunst gewidmet hat. „Sich delektieren“ ist das Wort, das sie gebraucht um zu beschreiben, was sie an der Kunst so fasziniert. Sich erfreuen, ergötzen, sich laben, sich gütlich tun, so erklärt der Duden dieses Wort, und auch Frau S. übersetzt es ganz ähnlich. Ihre Liebe zur Kunst umfasst alle Formen des Ausdrucks: Malerei, Musik, Literatur… Und so man&#173chen Künstler hat sie persönlich kennen&#173gelernt; Beuys, den Fotografen Lucien Clerque, der sie auch fotografiert hat, oder Stockhausen. Ich frage sie wie es ist, jemandem wie Stockhausen zu begegnen: „Ach wissen sie, ich war ja so beeindruckt von ihm. …das soll man ja nicht machen, jemanden so auf einen Sockel heben.“ 
Einmal,  in den sechiger Jahren, hat Frau S. an ihrem Radio rumgedreht, und auf diese Weise John Cage entdeckt: „Sowas hatte ich noch nie gehört, das war revolutionär.“ Sie selbst hatte nie den Impuls sich in einer Kunstform auszu­drücken: „Ich bin das Publikum. Das muss es ja auch geben.“ Für Frau S. ist Kunst Genuß: „Kunst kann tiefe Freude auslösen. Glück. Warum das so ist, das kann ich gar nicht sagen.“
Mrs. S is visiting Cologne, and still are some hours left, until her train is leaving back home. „I want to have a look at the Richter-Window at the cathedral, and afterwards I want to visit the Museum Ludwig.“ Telling this, almost as a sideline, our conversation begins, during which I quickly realize that Mrs. S has applied herself to arts her whole lifetime. Art regales, she tells me, and she finds some more words to describe what she means: to delight in or to feast on art, to delve into it. Her love of art includes varying forms of expression: Paintings, music, literature…And Mrs. S became aquainted to quite some artists in person: Beuys, the photographer Lucien Clerque, who took photos of her as well , or Stockhausen. I ask her how it was to meet someone like Stockhausen: „Well, you know, I was so deeply impressed by him… it’s not good to put somebody on a pedestal.“
Once, back in the sixties, she was trying to set her radio to a new station, and so, by coincidence, she got to know the music of John Cage: „I’d never heard something like that before. It was revolutionary.“ She personally never felt like impressing herself by arts: „I’m the audience. That matters, too.“ To Mrs S. art is pleasure. „Art can arouse great delight. Bliss. I can’t even explain why.“

15 Comments

  • Anonym sagt:

    Auch wenn sie keine Künstlerin ist, scheint Frau S. selbst ein Kunstwerk zu sein.

  • rebhuhn sagt:

    'ich bin das publikum.'

    was für ein satz! großartig, selbst so sicher zu sein über das, was einen erfreut!

  • Anonym sagt:

    John Cage habe ich auch persönlich kennengelernt, da könnt ihr mal sehen…..
    he took my hand and told me about my wounderfoul Schoenberg-playing( anlässlich eines happening-events im Stollwerk) and spoke about my "beautiful eyes". So I am very proud of this meeting, as you can imagine, lg Bara

  • smilla sagt:

    Bara, das versteh ich 🙂
    sicher ein sehr charismatischer mann, ich kenn ihn nur aus Interviews, oder von Fotos…
    Einmal dachte ich, dass er wohl viel kleiner ist, als er so wirkt (er sieht so groß aus)

    rehuhn :-), nicht wahr?

  • Klickerklacker sagt:

    schöne Jacke und Silberne Schuhe! Das natürlich Cool!
    Und dann Publikum zu sein im Zeitalter "15min Ruhm für alle" …auch toll!

  • szuszu sagt:

    ….übrigens ganz anders als bei Clerque sieht die Frau auf den Fotos von Miroslav Tichy- schaut mal rein -……Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins :-)mit einer unerträglich mädchenhaften Juliette Binoche – aber das ist eine andere Geschichte ( Film )

  • szuszu sagt:

    die Kunst gibt ab ans Publikum , das Publikum etnwächst der Kunst und wird selbst delektabel !

    (vorausgesetzt das Publikum delektierte die Kunst / ich als Katholikin bevorzuge ketzerischerweise das Wort ergötzen 😉 / )

  • smilla sagt:

    szuszu; ja da hats du recht, da sehen die frauen wirklich anders aus, so auf den ersten blick dockt mein herz aber bei keinem der beiden an…

    klickerklacker, und ihr portemonnaie/mäppchen war übrigens auch silbern 🙂

  • Anonym sagt:

    John Cage war ein sehr zierlicher Mann, er hatte eine körperlich sehr durchlässige Ausstrahlung da er sich nur makrobiotsch ernährte, aber er war die Liebenswürdigkeit in Person.Karl-Heinz Stockhausen den ich auch einmal in persona habe kennen lernen dürfen wirkte auf mich völlig anders. Aber das war an einem Kneipentisch in der Kölner Altstadt wo auch der Alkohol nicht zu kurz kam, und da möchte ich mich jetzt lieber nicht drüber auslassen. lg Bara

  • smilla sagt:

    Bara; musst du nicht :-), kann ich mir trotzdem gut vorstellen…
    John cage zu treffen, das ist schon was! sicher ein erlebnis, so ein glück! lieben gruß

  • Ist nicht Künstler und Publikum irgendwie untrennbar verbunden, unterschiedliche Pole vom gleichen? Man kann nicht sagen, dass es keine Künstler ohne Publikum gäbe, aber eigentlich schon. Die gibt es auch, nur sagt keiner Künstler zu denen. Ich denke, dass am ehesten Künstler wird, wer etwas ausdrückt und auf welche Art auch immer, übersetzt, was viele auch fühlen und keinen Ausdruck dafür finden. So gehören sie alle zusammen, kein Künstler ohne Publikoum, kein Publikum ohne Künstler. Mich stört dabei eigentlich nur, wenn es in Kästen eingeordnet wird… volle Gleichwertigkeit für alle 😉

    liebe Grüße und wieder Danke!
    Elisabeth

  • Mirka sagt:

    "Ich bin das Publikum. Das muss es ja auch geben."

    Umwerfendes Zitat – das sollten sich einige, die meinen, sie hätten Talent (besonders hinsichtlich Gesang und Castinshows…) wahrlich mal zu Herzen nehmen.

    Weißt du zufällig, was diese Dame beruflich gemacht hat? 😉

  • smilla sagt:

    Elisabeth: Kunst ensteht ja oftmals (erst) im Auge des Betrachters..

    Mirka, ja, die Dame war nicht berufstätig. 🙂

  • Anna sagt:

    Falls Du es noch nicht weißt und es Dich, Smilla, oder jemanden anderen interessiert:

    Eben in "titel thesen temperamente" hörte ich von folgendem Film: "Gerhard Richter painting" von Corinna Betz. Wird auch in Köln gezeigt: Premiere im Filmforum im Museum Ludwig, Samstag, 3. September 19 Uhr 30. Nochmal nachzulesen unter: http://www.gerhard-richter-painting.de/

  • smilla sagt:

    anna, danke, ja, hab ich schon von gehört, aver nur so ganz am rande.
    ist sicher interessant.

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