Das Foto zeigt einen Gesteinpool in Kalk Bay in der Nähe von Kapstadt; ich möchte diesem Text nämlich gern ein Foto von einem Schwimmbad im Meer voranstellen.
Vom schönsten Meeresschwimmbecken, an dem ich einmal war, habe ich leider kein Foto. Ich erinnere mich, dass ich damals sehr bedauert habe, keine Kamera dabei zu haben und wie ich mühsam versucht habe, mir diesen Umstand schön zu reden. Das Meeresschwimmbecken, von dem die Rede ist, liegt im Norden von La Palma; Piscina La Fajana. Vor ein paar Jahren war ich dort, an einem grauen Tag, es war windig und kühl.
Zwei oder drei Häuser lagen etwas abseits an der Straße, seltsam verloren ausgestreut. Kleine Hotels oder Pensionen, leer und unbehaust. Vielleicht war gerade keine Saison. Eine große Terrasse am Rande der Becken, kein Tisch, kein Stuhl, kein Gast. Ruhe. Viele Spuren von menschlicher Belebtheit und doch alles verlassen. Verwinkelt aneinander gereihte Becken, mit Treppen und Stegen aus Stein, um schwimmen zu können im Schutze von Mauern neben dem tosenden Meer. Abgelegen war die Bucht, spröde, rauh und felsig. Ein Ort der einem gründlich erklärt, dass Zeit nichts zum zerteilen ist. Ein Ort, der einen still werden lässt, während die Brandung einem den Klang der Ewigkeit um die Ohren haut.
Wenn man ganz weit gucken könnte, also wirklich außergewöhnlich weit, man würde von hier aus Island sehen, und der Ausblick würde bestens passen. Wenn es das Ende der Welt gibt, hier könnte es sein. Ein friedlicher Platz.
Ich denke in diesen Tagen viel an diesen Ort, von dem ich kein Foto habe. Ich denke in diesen Tagen oft an eine Frau, der ich persönlich nie begegnet bin. Die Frau ist Journelle. Sie ist vor einigen Tagen unerwartet verstorben. Einige werden sie kennen, sie hatte lange Jahre ein Blog, sie hat getwittert, sie war auch auf Instagram. Journelle hat sich geäußert und zwar kritisch, herzlich, differenziert, humorvoll und streng im Sinne von genau. Sie hat sich gezeigt, sie hat auch angegriffen, sie hat Diskussionen eröffnet und sich ihnen gestellt.
Ich bin nicht befugt und befähigt Journelle zu beschreiben. Ich kannte sie nur aus dem Internet, aber da war sie für mich seit über zehn Jahren eine Person des Vertrauens.
Im Frühjahr 2019 wären wir uns beinahe begegnet. Damals suchte eine Musikerin, die ich vage kenne, für ihr neues Video eine Darstellerin: „Eine korpulente Frau, die sich selbstbewusst und charismatisch in einem Schwimmbad bewegt, tanzt und ins Wasser springt.“
Journelle hat Ballett getanzt, sie liebte das Schwimmen, auch online war ihre große Präsenz deutlich zu spüren – wer könnte besser passen. Ich habe der Musikerin und auch Journelle umgehend geschrieben.
Schnell waren die beiden sich einig und bald schon kam der Tag, an dem gedreht werden sollte. Ich hatte überlegt zum Dreh zu fahren, Journelle zu treffen und vielleicht ein paar Fotos zu machen. Journelle schrieb: das wäre toll, dann würden wir uns nach Jahren des Internets mal in echt sehen.
Wegen irgendeiner vermeintlichen Kompliziertheit des Alltags bin ich nicht hingefahren, ich glaube in Wahrheit aus Sorge vor allzu vielen fremden Menschen da am Set. Ich bedaure das sehr. Man darf nicht fahrlässig mit Gelegenheiten umgehen. Man soll sich auch nicht von Ihnen drangsalieren lassen. Aber ich weiß heute – und wusste es damals – dass ich eigentlich sehr gern hingefahren wäre. Ich hätte Journelle einfach unheimlich gerne getroffen, sie kennen gelernt. Wie blöd darf man sein, nun ist es zu spät. Hier ist jetzt auch nix mehr mit schön reden.
Journelle hatte einen Insta-Account „schwimmschön“, den ich sehr mag und eine Facebookgruppe „Gesellschaft für schönes Schwimmen“, von der ich nur den phantastischen Namen kenne. Die Liebe zum Schwimmen verbindet mich mit ihr. Sehr gerne hätte ich mit ihr einmal über ‚im Wasser sein‘ gesprochen und die Ruhe, die man beim kontemplativen Dauerschwimmen findet; das aus der Welt sein.
Journelle ist in vielen Bädern, Becken, Seen und Meeren geschwommen, Strand war für sie nur die letzten Meter zum Wasser, so hat sie es einmal geschrieben. Vielleicht kannte sie das schöne Meeresschwimmbecken von La Palma.
Ich glaube, es hätte ihr dort sehr gefallen.
Ich möchte mich von Journelle verabschieden und ihr ein heitertrauriges „Schwimm schön!“ nachrufen.
Sie wird mir, vielen anderen, der Welt und dem Internet sehr fehlen.
Mein Mitgefühl gilt Journelles Familie.
Einfühlsame Abschiedsworte hast du da gefunden.
„Man darf nicht fahrlässig mit Gelegenheiten umgehen.“
Den Satz mag ich besonders.
Gute Nacht und erholsamen Schlaf!
Dem Kater geht’s besser?
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Danke dir!
Dem Kater geht’s leider nicht besser. Gerade aber auch nicht schlechter. Das ist schon mal schön zwischendurch.
Liebe Grüße!
Danke für den Post. Ich habe ihn mal in die „Gesellschaft für schönes Schwimmen“ gestellt.
Danke! Für deine Nachricht und für das Teilen in eurer Gruppe.
Ein wunderschöner Text. ich mochte sie auch sehr.
Danke dir, Ramona.
Wie schön Du das geschrieben hast.Danke sehr.
Auf La Palma war ich auch schon schwimmen, in genau dem Becken. Auch ohne Foto. Die Bilder sind aber mein Leben lang im Kopf
Liebe Croco, ach, das ist ja schön, du bist sogar darin geschwommen! Ich möchte auch gerne noch einmal an diesen Ort.
Ein wirklich märchenhafter Ort. Beim Lesen bekomme ich richtig Lust selber wieder schwimmen zu gehen. Zum Glück habe ich ein Schwimmbad um die Ecke, das ich nutzen kann. Neben dem Spaß ist es auch noch eine tolle sportliche Alternative.