Kasap

Seit fast 20 Jahren kenne ich den Zeitungs­verkäufer Kasap vom Sehen, und auch wenn die Zahl beeindruckend klingt, dürfte es viele Menschen geben, denen er bereits doppelt so lang vertraut ist. Denn schon seit 41 Jahren verkauft Kasap abends auf der Strasse und in den Kneipen den Express und den Kölner Stadtanzeiger. Seit 30 Jahren ist Ehrenfeld sein Bezirk, und so manchen, der heute seine Zeitung bei ihm kauft, hat Kasap noch im Kinderwagen liegen sehen. „Ich kenne so viele Leute…, ach, ich kenne hier fast alle.“ sagt er, und er spricht von ihnen als Brüder und Schwestern. Auch mich nennt er „mein Schwester“ und schenkt mir eine Zeitung.
Früher war Kasap tagsüber Betriebs­schlosser, genau wie Wolfgang, an den ich an dieser Stelle mal erinnern möchte. Die Haltung mit der Kasap an die Arbeit gegangen ist formuliert er so: „Geht nicht geht nicht.“, Heute, mit 66, ist er in Früh­rente, aber seinen abendlichen Zeitungsjob will er nicht aufgegeben. „Einmal war ich im Krankenhaus, sogar auf der Intensiv­station. Ich habe immer nur gedacht, dass ich wieder zurück auf die Strasse möchte.“ Er liebt den Umgang mit Menschen: „Das ist für mich wie Medizin.“
Kasap hat einen Sohn und eine Tochter: „Und die haben auch beide einen Sohn und eine Tochter.“ Dieses ausgewogene Ver­hältnis überrascht mich überhaupt nicht. In seiner linken Jackentasche hat er eine Hand voll Trockenfutter für Hunde.
I know the newspaperman Kasap by sight since about 20 years. Even though this number may sound impressing, I guess there are many people who know him twice as long. Since 41 years Kasap sells the Express and the Kölner Stadtanzeiger on the streets and in the restaurants and bars. Since 30 years Ehrenfeld is his district, and some of those, who buy their newspapers from him, Kasap remembers lying in the baby carriage. „I know so many people around…, oh, I guess I know almost all.“ he says, and he’s talking about them as brothers and sisters. He calls me „my sister“ as well, giving a newspaper to me.
Formerly in the daytime Kasap used to work as an engine fitter, like Wolfgang, who I’ve met last year. His attitude concerning his work he describes like this: „Won’t work won’t work.“ Today, at the age of 66, he’s retired but he wouldn’t give up his every evening newspaper job. „Once I was in the hospital, even at the CCU. I permanently wished that I could go back to my work on the street.“ He loves to have intercourse with people: „To me that’s like medicine.“
Kasap has a son and a daughter: „And both of them have a son and a daughter, as well.“ This balance doesn’t surprise me at all. In his left jackett pocket he keeps a handful of dry food for dogs.

6 Comments

  • Anonym sagt:

    Eine Toller Mann, mit so einer tollen Einstellung.
    Er ist das perfekte Bespiel für eine gute intigration, er nennt seine Mitmeschen Brüder und Schwester.
    So eine Solidaritätseinstellung sollte jeder Mensch habe.

    Ein toller Mann, ich werde ihn hoffentlich auch einmal sehen und bei Ihm eine Zeitung kaufen.

  • dat Bea sagt:

    Hallo Smilla,

    wieder einer von den Menschen, die so vertraut wirken, auch wenn man sie gar nicht kennt. Das schreibe ich zu einem Großteil auch deiner Fotokunst zu :-). Die Vertrautheit der Bauweise der Kölner Straßen kann es nicht sein, denn auch deine Posts an exotischeren Orten locken dieses Gefühl von…

    Ich hab vor langer Zeit (bei "Was bin ich " im vergangenen Juli), mal "angedroht", dass mir die Worte zu deinem Blog auf der Zunge liegen, ich sie aber nicht finde. Seither denk ich bei jedem neuen Post, den ich lese, darüber nach…echt.

    Das Wort, das sich mir immer am ehesten aufdrängt, ist "Geborgenheit". Was soll das, hab ich mich lange gefragt, das trifft es nicht. Doch, eigentlich tut es das. Wenn man tief in sich drin die Wunschvorstellung birgt, dass alle Menschen gleich wertvoll und in ihrer eigenen Art "schön" sind (ich mein das gar nicht so religiös, wie das vielleicht klingt) und dass es einen Ort gäbe, an dem man selbst sich auch so wahr genommen fühlen könnte – dann ist das hier.
    Klingt dramatisch, ist aber gar nicht so gemeint. Komm ich hierher, fühl ich mich wohl. Weil die Menschen hier "normal" sind in all ihrer Vielfarbigkeit, und daher fühl ich mich geborgen. Du lemkst das Augenmerk auf die kleinen Dinge, die einen Menschen schön machen. Das nimmt Vorbehalte. Und weil es mich oft so berührt, macht es mir den Umgang mit Menschen, denen ich begegne, leichter.
    Danke dafür.

  • smilla sagt:

    bea, ich bin ganz sprachlos über deinen schönen kommentar! Ganz herzlichen dank dafür!!
    Ich freu mich sehr.

    anonym, ja mach das, und grüß ihn dann schön 🙂

  • I like him! His smile speaks louder than words.

  • Anonym sagt:

    Ja, ich finde, Bea hat das wunderbar augedrückt, genauso geht es mir auch!
    Ulli

  • Anonym sagt:

    Kasap ist echt toll; wenn er irgendwo reinkommt freut sich jeder! Und wenn er mal Urlaub hat und es kommt eine Vetretung macht man sich gleich Sorgen um ihn! Toller Bericht und schöne Fotos!

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