Integriert, nicht assimiliert

Ahijah hat zwei Afrika-Ketten; die erste hat er sich gekauft, als er in Kongo war, wo der Ursprung seiner Familie liegt. In Köln hat er irgendwann diese rote Kette ent­deckt. Sie ist noch größer als die andere und rot, und das gefiel ihm.
Ahijah hängt an Afrika und er ist stolz auf seine Herkunft. Das will er mit der Kette zeigen.
„Eigentlich hänge ich zwischen zwei Kul­turen. Ich selbst bin in Köln geboren, aber ich will meine Herkunft nicht vergessen. Man soll seine Vergangenheit nicht einfach so ablegen.“ Davon ist Ahijah überzeugt: „Ich bin hier aufgewachsen und ich lebe hier.“ Ahijah überlegt einen Moment: „Ich bin integriert, aber nicht assimiliert. So ungefähr.“
Ahijah has two Africa-necklaces; the first one he has bought when he was at Congo, which is the origin country of his family. Some day he found this red necklace in Cologne. It’s even bigger than the first one, an it’s red and that’s why he liked it.
Ahijah is cling to Africa and he’s proud of his background. That’s what he wants to show, wearing his necklace.
„Somehow I live halfway between two cultures. I was born in Cologne, but I don’t want to forget my origin. No one should drop his background“ Ahijah is convinced. „I was raised in Cologne and I’m living here.“ Ahijah ponders for a moment: „I’m integrated, but I’m not assimilated. Something like that.“

Ahijah ist 19 und er hat Pläne für sein Le­ben. Im September fängt er an zu studie­ren: „Mehrsprachige Kommunikation.“ Da­nach würde er gerne noch interkultu­relle Kommunikation studieren: „Ich möchte so viele Kulturen kennenlernen, wie es geht,“ sagt Ahijah. Ich frage ihn, was er später gerne machen möchte: „Helfen. Vielleicht bei der Unicef. In Afrika gibt es sehr viele Probleme. Ich würde gerne so viel ich kann dafür tun, dass es besser wird. Das ist mein persönliches Ziel.“
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Ahijah is 19 and he’s full of plans for his life. He will start to study in september: „Multilingual communication.“ Afterwards he’d like to continue with a study of intercultural communication: „I want to get to know as many cultures as possible“ Ahijah says. I ask him, what he’d like to do later on: „I want to help. Maybe at the Unicef. There are so many problems in Africa. I want to help solving as many as possible. Thats my personal goal.“
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Als ich Ahijah treffe ist er mit Freunden unterwegs. Sie gehen zu viert die Strasse entlang, reden, lachen und haben schein­bar kein bestimmtes Ziel. Als ich ihn an­spreche weicht Ahijah zur Seite aus, weil er mir Platz machen möchte.
Nachdem wir ein Weilchen geredet haben – die Freunde hören respektvoll zu – sage ich, was mir durch den Kopf geht: ich bin überrascht über Ahijahs Pläne, eigentlich auch über seine Gedanken zu seinen Wurzeln. Und zwar bin ich überrascht – und auch das spreche ich aus – weil Ahijah eine coole Kappe trägt. Weil bei allen vieren die Jeans möglichst tief sitzt. Und weil sie zu viert so yeah-checker-yeah mäßig unter­wegs sind.
Weil mir meine Vorurteile peinlich sind, versuche ich vage, sie mit meinem Alter zu erklären: „Ich meine, wir kommen aus verschiedenen Generationen. Im Vergleich zu euch bin ich alt.“
„Ja“ sagt Ahijah und lacht mich freundlich an.

So ist es wohl, denke ich im Stillen; auf Ahijah wirke ich alt, und ich habe mich mich von seiner Attitüde täuschen lassen.

When I first meet Ahijah he’s out with friends. They walk along the street, they’re four of them, they talk and laugh and they don’t seem to have any special purpose. When I approach him, Ahijah moves to the side; he wants to clear the way for me.
After we’ve talked a while – his friends are listening respectfully – I tell the thoughts which come across my mind: I’m surprised about Ahijahs plans, actually even about what he says about his roots. And in fact I’m surprised – and I tell this also – because he’s wearing a cool cap. Because all of them are wearing their jeans extremely low. Because they walk the streets so yeah-yeah-cool-style.
I feel ashame for my prejudices and so I try to explain them vaguely with my age: „I mean, we belong to different generations. Compared to you I’m quite old.“
„Yeah“ Ahijah says, giving me a friendly smile.

That’s the way it is, I think to myself: to Ahijah I seem to be old, and I was taken in by his attitude.

Dann erklärt Ahijah ernst: „Naja, ich bin jung. Deswegen will ich Spaß haben, ich steh auf coole Klamotten und es soll auch nicht so schnell vorbei sein.“ „Was?“ frage ich, „das Jung sein?“
„Ja.“ sagt Ahijah.

Nach dem ersten Foto leiht sich Ahijah die Jacke seines Bruders Sydlik: „Sieht besser aus.“ erklärt er kurz.
Als ich die anderen frage, ob sie mit aufs Foto wollen winken sie ab; nur Sydlik möchte. Sofort bekommt er ohne Zögern von einem der anderen eine Jacke; seine trägt ja Ahijah.

Then Ahijah explains serioulsy: „Well, I’m young. So I want to have some fun; I like cool stuff and I don’t want it to be over too soon.“ „What?“ I ask, „Beeing young?“ „Yes.“ he says.

After I took the first photo Ahijah borrows the jacket of his brother Sydlik: „Looks better.“ he explains to me.
When I ask the others whether they want to be in the shot, as well, they deny. Only Sydlik want’s to join. Immediately, without any hesitation, he gets a jackett from one of the others; for the reason that Ahijahs still wearing his.

16 Comments

  • A-M sagt:

    Liebe Smilla!
    Vielen Dank dafür, dass du den Mut hast, so unterschiedliche Leute anzusprechen, seien sie jung, alt, arm, reich, alternativ, cool oder schick und dass sich daraus offenbar immer (oder meistens?) so interessante Unterhaltungen und Begegnungen entwickeln. Mir würde dieser Mut fehlen und deshalb freue ich mich jedes Mal wahnsinnig, wenn du hier eine Tür zu einer -für mich – anderen Welt öffnest und es dahinter sehr sympathisch aussieht 🙂

  • Rebekka. sagt:

    Das "freue ich mich jedes Mal wahnsinnig, wenn du hier eine Tür zu einer – für mich – anderen Welt öffnest und es dahinter sehr sympathisch aussieht" hat A-M hervorragend ausgedrückt. So geht es mir auch. Allerdings spreche ich schon auch manchmal Menschen an, meist wegen Komplimenten, die ich gerade meine, verteilen zu 'müssen' 😉 – deshalb passt nur der zweite Teilsatz.

  • Anna sagt:

    Ich kann mich hier auch nur anschließen – wenngleich ich wiederum meist problemlos aus wiederum anderen Gründen fremde Menschen immer mal wieder anspreche(n muss, wenn ich ohne Hilfe nicht weiterkomme oder so.)

    Mich beeindruckt mehreres: Ahijahs Hängen an Afrika, sein Wunsch, in seinem Herkunftsland /-Kontinent zu helfen, das respektvolle Zuhören der Freunde (was wohl auch auf mich so prägnant wirkt im Gegensatz zur auch beschriebenen "Coolness"), und auch die Sache mit der geliehenen Jacke.

    Danke für's Teilen auch von mir!

  • herzblut sagt:

    Gerade habe ich Deinen Blog gefunden und auch, wenn ich die Artikel nur angelesen habe, weiß ich jetzt schon, dass ich hier nun öfter mit mehr Zeit verweilen werde. Danke!

    xo
    herzbluttun.blogspot.de

  • Anonym sagt:

    Als ich jung war glaubte ich genau wie Ahijah, dass Jungsein ewig hält, mit 19 ist das so. Mit 19 ist man eine ganze Ewigkeit 19. 19 ist ein Alter, wo ein Jahr viel länger dauert als mit, sagen wir, 47. wenn du 47 bist, guckst du einmal um die Ecke und schon bist du 48.

    Aber ich habe etwas gelernt:

    Mit 19 ist man zu jung zum Anhalten, mit 48 zu alt. Aber im Ergebnis knallt man immer durch.

  • Anonym sagt:

    Ganz spannend finde ich den Konflikt zwischen der Realität und den eigenen Vorurteilen, aber auch die Konfrontation mit Letzeren.
    Danke dafür!

  • sturmfrau sagt:

    Danke für diesen schönen Beitrag. Ich erwische mich selbst auch immer wieder bei solchen Vorurteilen, was ähnlich "cool" gekleidete junge Männer betrifft, und dann beim Blick in ihre Augen beschleicht mich der Gedanke, dass alles ganz anders sein könnte, als man auf den ersten Blick sieht. Oder auch vielleicht nur ein bisschen.

    Dass Sie den Mut haben, solche Gespräche zu beginnen, ist eine bemerkenswerte Gabe und trägt letztlich dazu bei, Vorurteile auf kreative Art zu unterwandern. Die eigenen und auch die des Gegenübers. Alle Achtung!

  • Oona sagt:

    Junge (alles ist relativ :O) Menschen, die schon früh Ideen, Visionen und genauere Vorstellungen von ihrem Leben haben, dass beeindruckt mich sehr.
    Grüße an Dich
    Oona

  • smilla sagt:

    danke auch! herzlich willkommen 🙂

  • smilla sagt:

    vielen Dank! So viel Mut erfordet es gar nicht; ich vermute, du wärst ganz angenehm überrascht, wenn du es machst. Allerdings habe ich ja immer einen Grund "vorzuweisen" Das macht es auch leichter. Ich glaube ganz ohne triftigen Grund wären manche doch etwas irritierter; zumindest zunächst.

  • smilla sagt:

    😉 seht ihr, ihr sprecht ja auch fremde Menschen an 🙂
    Danke fürs kommentieren!!
    Komplimente mache ich Fremden übrigens auch oft; die fallen einfach so aus mir heraus.

  • smilla sagt:

    Danke für die vielen netten und vor allem interessanten Kommentare! Das freut mich sehr, auch wenn ich nicht auf jeden einzeln antworten kann.
    Aber es ist einfach immer schön, eine Rückmeldung zu bekommen, vor allem wenn die dann auch noch zum denken anregt.

  • Anonym sagt:

    Nicht nur Ahijah, sondern auch der Treppenaufgang von Columba (ist er doch, oder?) wunderbar portraitiert. Auch wen ich manchmal hadere; nicht zuletzt wegen Deines Blogs weiß ich wieder, warum ich gerne hier lebe!
    Herzliche Grüße, Bele

  • Änni sagt:

    Ein toller Artikel mit tollen Bildern! Auch ich bin immer mal wieder vom Tiefsinn überrascht, wenn ich im Bus oder Zug Gespräche betont "hipper" Jugendlicher belausche (um sie anzusprechen, bin ich leider viel zu feige) – sich wie du so offen mit diesen Vorurteilen auseinanderzusetzen, ist mutig und spannend!

  • Tanja Coco sagt:

    Echt toller Blogeintrag ! 🙂

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