Fliessende Grenzen

Jedes Jahr an Weiberfastnacht kommt es abends in der Tagesschau: am Alter Markt in Köln wurde am Morgen pünktlich um 11:11 der Straßenkarneval eröffnet. Das nichtkarnevalistische Restdeutschland wird dann mit synthetischer Bunt- und Aus­gelassenheit dicht gedrängter Menschen­massen in zweifelhaften Kaufhaus­kostümen und kätzchengeschminkten Ge­sichtern erschreckt. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, aber leider findet eben diese Hälfte den medienwirksamsten Niederschlag.
Dass man nicht zur industriell gefertigten Plüschküh oder zum Lappenclown mutieren muss, davon kann man sich, zum Beispiel, in meiner Kategorie Karneval ein Bild machen. Dieses Jahr sind mir bei meinem Streifzug besonders die Kostüme ins Auge gefallen, von denen ich sagen würde, dass man sie so oder ähnlich eigentlich auch im richtigen Leben tragen könnte. Meist ist es nur ein Accessoire oder die Schminke, die ein Kostüm zur Verkleidung werden lassen.
Jens eröffnet heute die Serie der Männer. Er hat eine Agentur für Kommunikations­design mit dem schönen Namen Der 103. Tag, und er zieht sich gerne gut an. Das sieht im Alltag natürlich dann doch noch mal anders aus, aber in dieser Aufmachung würde er inmitten von Hipster-Mitte auch nicht weiter auffallen.

Das ist Julien, und auch ohne Karneval hätte ich ihn auf jeden Fall angesprochen. Weiter geht’s, bitte hier entlang…


Axel ist Karnevalstourist aus Essen. Dort betreibt er eine Bar: Fcuk Yoga heißt sie. Ein kurzer Text auf seiner Seite berichtet über den Zusammenhang zwischen Bar­keeper und Apotheker und  läßt auch er­ahnen wie der eigenwillige Name zustande kam. Anzug und chice Kleidung gehören für Axel quasi zum Berufsbild des Barkeepers, und das karierte Ensemble hat er in einem Second Hand Shop in Holland gefunden.

Daniel, Fotograf

Janno ist mit einer Freundin unterwegs, die mir begeistert beipflichtet als ich erkläre, dass mich alltagstaugliche Kar­nevalskostüme faszinieren: „Ja, grade bei Männern denk ich Karneval oft: ach, lauft doch immer so herum.“Janno selbst findet den Unterschied zu seiner normalen Kleidung nicht sehr groß: „Ist irgendwie wie immer, nur mit Accessoires.“

Max richtet sein Kostüm jedes Jahr nach seiner Kappe aus, die er über alles liebt: „Zeitungsjunge, Botenjunge, Schuhputz­er…immer aus den 20er Jahren, und die Kappe ist immer der Anfang.“ Max‘ Verkleidung gehört definitiv zu meinen persönlichen Highlights dieses Jahr.

Den Namen dieses jungen Mannes hab ich vergessen, aber sein Anzug ist von Dolce und Gabbana. Sein Begleiter ist Mode­fotograf, und ich frage mich nun ob er wohl sonst bei ihm vor der Kamera steht.

Ben hatte Lust sich zu verkleiden, aber nicht so albern. „Ich wollte gerne irgendwie stilvoll und trotzdem lässig aussehen.“

Karnevalskostüme sind eine feine Gelegen­heit mal auszuprobieren, was sonst bei der Wahl der täglichen Kleidung nicht vor, oder aber zu kurz kommt. Es wird mit der Kleidung gespielt, man traut sich was, ver­sucht und übertreibt. Allein schon dafür feiere ich das Karnevalfeiern.

 

05.03.2011

11 Comments

  • Corrisande sagt:

    Ich glaube, vorletzten Herren gesehen zu haben, wobei ich gerade Donnerstag aber auch so viel gesehen habe, daß ich mich irren könnte…
    Zustimmen tu ich dir aber: Viele der männlichen Gesellen könnten wirklich auch 'in echt' so aussehen, Gehrock u.Ä. sind einfach kleidsam!

    Meine Kostümfavoriten war übrigens die Gruppe Straßenschilder mitteljungen Alters, die mir in der 5 und später am Heumarkt begegnet sind – herrlich!

  • Anonym sagt:

    Wow, wenn die Männer in Köln immer so herumlaufen würden, dann wäre Köln die hippste Stadt der Welt 😉 ! Ich finde es auch toll, dass Karneval ein bißchen Mut macht, mal modisch mehr auszuprobieren.

  • Anna sagt:

    Dein die nicht medienwirksamen Ecken liebevoll ausleuchtender Blick und die dazu passenden Gedanken reißen sogar Karnevalsmuffel wie mich zu der Überlegung hin, dass man doch vielleicht eventuell wirklich nochmal neu über Karneval nachdenken könnte… Danke Smilla!

  • Gucci sagt:

    Really nice style!

  • Anonym sagt:

    Willkommen im 19. Jahrhundert…sehr Retro, cool!!

  • Uschi sagt:

    mir geht's wie Anna: sich ein wenig neu auszuprobieren wäre ein guter Grund, den Karneval aus einem freundlicheren Blickwinkel zu betrachten.
    Sonst mag ich doch mehr den süddeutschen Ansatz des sehr traditionellen, fast schamanistischen Winteraustreibens.

  • croco sagt:

    Das gefällt mir!
    Ich glaub, ich mach das so ähnlich. So dass ich manchmal gefragt werde, ob das nun Verkleidung sei oder ob ich auch so sonst rumlaufe.

  • christine sagt:

    meine güte, schön. da stimme ich der begleiterin zu, und auch dir. möge ein mehr karnevalistischer style mein ideal für das kommende jahr sein!

  • smilla sagt:

    anonym, stimmt seeehr retro. Ich finds gut!

    Christine; ich bin übrigens auch ganz schön oft gefragt worden, ob ich verkleidet bin, oder ob ich das ernst meine 🙂
    Ich war übrigens verkleidet. Aber man könnte auch so rumlaufen ohne Probleme, wenn mans denn aushält so aufzufallen….

    Anna, ach Karneval kann wirklich nett sein. Im Ernst.

  • Anna sagt:

    Smilla, im ERNST, echt? Kann Karneval im ERNST nett sein?? 😉

    Das habe ich mich übrigens auch gefragt, was DU wohl getragen hast – hab' mir aber das Fragen verkniffen, weil ich mir dachte, dass das sowieso nicht verrraten wird… 😉

  • Sally sagt:

    die männer wie auch die frauen die du karneval potraitiert hast sehen allesamt großartig aus. und ich finde auch, sie könnten sich ruhig öfter so anziehen, klasse!

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