Zu Besuch bei Kemal

Es war gar nicht so leicht Kemal in Cucur­cuma wiederzufinden: den kleinen Antik­laden vor dem ich ihn bei meinem letzten Istanbul-Besuch getroffen habe gibt es nicht mehr. Menschen die ich nach ihm gefragt habe meinten gar: „Shop is closed, he’s dead.“ Aber eine kleine Telefonkette der Hilfsbereitschaft hat mir einen spät­abendlichen Anruf beschert: „I think we found him.“ Jedenfalls wurde ich für den folgenden Tag zum Tee bei Kemal  eingela­den und bis zum Öffnen der Tür war ich ge­spannt ob es wohl  der Richtige sei.
It was less easy than I’d expected to find Kemal in Cucurcuma: the small Antique­shop, where I met him at my last trip to Istanbul is closed. People I asked didn’t know him or even said: „Shop is closed, he’s dead.“ But a telephone tree of helpful people finally ended up in a late-night-call I received: „I think, we found him.“
However, for the next day I was invited to come to tea in Kemals appartement and until the door was opened I was wondering if it would be the right one.

Im Herzen von Cucurcuma lebt Kemal mit seiner Frau Fikriye und seiner jüngsten Tochter Niūsser in einer Wohnung die sich, nicht außergewöhnlich in diesem Stadtvier­tel, über einem Antiquitätenladen befin­det. Wie um es spannend zu machen hat die geöffnete Wohnungstür einen Blick ins menschenleere Wohnzimmer freigegeben, bevor Kemal schließlich mit langsamen Schritten um die Ecke kam. Mit warmer Hand und festem Griff hat er uns begrüßt und hineingebeten.
Begleitet hat mich Zeynep, der ich letzt­lich diesen Besuch zu verdanken habe und die zum dolmetschen mitgekommen ist.
Weiter gehts, bitte hier entlang…
In the heart of Cucurcuma Kemal lives together with his wife Fikriye and his youngest daughter Niūsser in an apparte­ment which is, not too unusual in this area, located above  an Antique-shop. As if to keep up excitement I first had a glimpse into an empty living room, when the door was opened. Then finally Kemal walked around the corner at a slow pace. With a warm-hearted and solid hand-shake he gave us a warm welcome.
I was accompanied by Zeynep, who after all found him and who was friendly enough to translate, as well.
Read more, please follow…


Seit 60 Jahren sind Kemal und Fikriye ver­heiratet. Fikriye war 13 mal schwanger, aber 5 Kinder hat sie während der Schwan­gerschaft verloren. Bevor sie Kemal nach Istanbul gefolgt ist, der in den ersten Jahren ihrer Ehe dort unter anderem als Anstreicher gearbeitet hat, hat Fikryie in Bayburt auf dem Feld gearbeitet, auch während ihrer Schwangerschaften. Für Fikryie ist es wichtig alle ihre Kinder zu erwähnen, nicht nur die Lebenden. Dann holt sie ein Familienfoto herbei und erklärt genau wer darauf zu sehen ist.
Niūsser bereitet in der Zwischenzeit den Tee und macht ein Foto von mir mit ihrem Handy. Sie sagt, dass viele Verwandte gerne das Foto von Kemal hätten, dass ich damals gemacht habe und sie freut sich, dass ich einen ganzen Stapel dabei habe.
Since 60 years Kemal and his wife Fikriye are married. Fikriye was pregnant 13 times, but she has lost 5 of her children during pregnancy. Before she has moved to Kemal, who was working as a painter in Istanbul during their first years of marriage, she used to work on the fields in their hometown Bayburt. Even while being pregnant she had to do so. For Fikriye it is of importance to mention all her kids, not only the living. Then she shows us a family photo, explaining excactly who is who.
In the meantime Niūsser fixes the tea for us and takes a photo of me with her mobile phone. She explains that many relatives would like to get the photo of Kemal I made the last time, and she’s glad that I brought many copys.

Kemal ist 1927 geboren; er ist nun 85 Jahre alt. Mitten im Gespräch fragt er plötzlich wer ich bin. Nachdem er sich eben noch gefreut hat, dass ich da bin und mir das Foto von damals im Bilderrahmen gezeigt hat, kann er sich nun nicht mehr an mich erinnern. Das sei häufig so, erklärt Niūsser. Kemal lebt mit dem Vergessen. Er stellt jeden Tag die gleichen Fragen, zum Bei­spiel welcher Tag heute ist.
Kemal was born 1927; he’s 85 now. While we are talking he suddenly asks who I am. After he just was happy to see me, showing me the photo I made in a frame, now he can’t remember who I am. Niūsser says that this happens quite often. Kemal in a way lives in oblivion. He asks the same questions every day, for example what day this is today.

Traditionell ist der Freitag für Muslime der wichtigste Gebetstag der Woche. Kemal lebt neben der Moschee: als der Muezzin die Gläubigen zu sich ruft macht er sich zum Gehen bereit. Die rituelle Waschung, die allen Gebeten vorausgeht, hat er bereits zuhause erledigt. „Das machen viele der älteren Männer so“, erklärt Zeynep. Die Reinigung vor dem Gebet sei sehr auf­wendig und für sie der anstrengendste Teil. Damit die Füße auf dem Weg zur Moschee sauber bleiben tragen die alten Männer daher dünne Lederschuhe in ihren Straßen­schuhen.
Traditionally friday is the most important day of prayer for muslim people. Kemal lives close to the mosque: as the muezzin starts to invite the believers Kemal is getting ready to leave. He has finished the ablution, which has to be accomplished before any prayer, at home yet. Many old people do so, Zeynep explains, for the reason that this part of the prayer is most excertive. To keep the feet clean on the way to the mosque the old men are wearing thin leather-shoes in their regular shoes.

Kemal, der sich beim Gehen wieder zu erinnern scheint, sagt dass er traurig ist, dass ich weg sein werde, wenn er wieder­kommt. Er schenkt mir zum Abschied 2 kleine goldene Kettenanhänger mit christ­lichen Motiven darauf. Ich muss ver­sprechen, dass ich ihn beim nächsten Mal wieder besuchen werde.
Kemal, who seems to remember me as he’s ready to leave, says that he’s sad that I’ll be gone when he comes back. He gives two little golden pendants to me , showing christian symbols, as a farewell-gift. I have to promise that I’ll visit him again when I come back to Istanbul next time. 

27 Comments

  • was für schöne eindrucksvolle Bilder!

  • Aromula sagt:

    Das hat viel Poesie, wie die Frau sich aller ihrer Kinder erinnern will, auch der ungeboren verstorbenen und wie der Mann selbst die Gegenwart anfängt zu vergessen und wie sie ihm die Hand aufs Knie legt. Ein Hauch von Schmerz um die Vergänglichkeit gemildert durch die Gegenwart der Liebe. Angenehm unsentimental geschrieben. Selten hat mich ein Blogpost so berührt. danke.

  • noz! sagt:

    Ein ganz großartiger Bericht – hab vielen, vielen Dank dafür!

  • Anonym sagt:

    danke <3 !

    anja

  • mona sagt:

    Vielen Dank für diesen schönen Blogpost!

  • mona lisa sagt:

    Liebevoll:
    die Darstellung,
    der Umgang der beiden miteinander
    das Gedächtnis an die verstorbenen Kinder
    die Art der Gastfreundschaft

  • Anonym sagt:

    Sehr schöner und bewegender Eintrag, vielen Dank!
    Und Dank auch dafür, dass Du Einblick in normale türkische Familien gewährst, hier denkt so macher, meine Landsleute hätten erst vorgestern den aufrechten Gang gelernt.

    Zuhal

  • Anna sagt:

    Ich will so viel sagen – und finde keine Worte dafür… Deshalb auch von mir einfach nur: DANKE! Und: Wie gut, dass Du Kemal und seine Familie (wieder)gefunden hast!

  • Anonym sagt:

    Ist es Nachlässigkeit,zu wenig Interesse oder Nichtwissen oder alles zusammen, bitte schreib die türkischen Namen richtig, nicht mit Sonderzeichen, die sonst für Arabisch oder Persisch verwendet werden! Mit Deiner Schreibweise wird Istanbul noch "exotischer"!
    Die wenigen Sonderzeichen der türkischen Sprache sollten doch nachvollziehbar sein. Würde es uns gefallen, wenn unsere Namen ständig falsch geschrieben werden, obwohl die Möglichkeit besteht, sie mit dem PC ohne Schwierigkeiten darzustellen?
    Auch wenn Dir dieser Kommentar im ersten Moment pedantisch erscheinen mag, so hat doch jeder auch ein Recht mit seinem richtigen Namen genannt zu werden. Authentisch?!
    Mir fallen in der Presse immer mehr schlecht recherchierte Berichte auf, Namen, Fakten, Ortsnamen, Lebensweisen etc.
    Das muss man nicht fortführen!
    Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit, so wie Du sie der äußerlichen Erscheinung schenkst, so auch für den Kommentar!

  • smilla sagt:

    @anonym.
    Danke für den Hinweis. Ich bin mir allerdings keiner Schuld bewusst, habe mir den Namen extra aufschreiben lassen.

    Anmerken möchte ich aber auch gerne was: anonym unfreundliche Kommentare zu verfassen ist auch nicht gerade die feine Art.
    Zudem schenke ich keineswegs 'nur' der äußeren Erscheinung Aufmerksamkeit. Nur mal so der Vollständigkeit halber.

  • mona lisa sagt:

    Wäre doch schön, die "richtige" Schreibweise hier lesen zu können, statt nur Vorwürfe lesen zu müssen. "Nachlässigkeit, zu wenig Interesse oder Nichtwissen" zu unterstellen sind Vorwürfe!!
    Wer diese Blogbeiträge schon länger liest, weiß, dass hier sicher keine Absicht vorliegt, irgendetwas "exotischer" zu machen als es ist. Der Schwerpunkt scheint mir eher auf der Individualität der Dargestellten zu liegen.

  • Mim sagt:

    Beautiful work!

    You do justice to this couple.

  • Oona sagt:

    Wie schön das Du Kemal und seine Frau nebst Tochter gefunden hast, was sicherlich in einer Stadt wie Istanbul nicht einfach war.
    Die Fotos gefallen mir sehr. Und wie aufmerksam, dass Du Bilder vom ersten Foto dabei hattest.

    Das Gebäck finde ich interessant :O)

    **

    Es hat mich berührt zu lesen, dass Fikriye alle ihre Kinder genannt hat.

    **

    Ich grüße Dich
    Oona

  • Barbara sagt:

    der Bericht ist zauberhaft, danke dafür!

  • Anonym sagt:

    Was für eine Erbsenzählerei! Die Autorin verfasst einen tollen Bericht und Du mäkelst hier rum und beschwerst Dich über die Namen, die falsch geschrieben sind. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln…

    Viele Grüße
    Orientalische Perle

  • Dani sagt:

    Ein unglaublich toller Bericht. Danke schön 🙂

  • Elke sagt:

    Liebe Smilla,

    wie schoen, dass Du wieder in die Tuerkei reisen konntest! Ich freue mich fuer Dich – und fuer uns: der wunderbaren Berichte wegen! Liebe Gruesse, Elke

  • Anonym sagt:

    Was für ein arroganter Kommentar – unglaublich! Ausgerechnet Smilla mangelnde Aufmerksamkeit vorzuwerfen ist schon wirklich absurd. Man könnte es auch "dumm" nennen. Sorry für die deutlichen Worte, aber wer austeilt, wird sicher auch einstecken können…

    Grüße
    RosaMond

  • liebe smilla, schon lange lese ich deine immer interessanten geschichten, aber diese hier ist besonders schön und rührend!
    das stelle ich mir sehr schön vor, menschen in fremden ländern zu kennen und wieder sehen zu können, obwohl man sich eigentlich fremd ist und wenn sich dann so "zarte fäden spinnen"…toll.
    ich lebe 20 km von köln entfernt und manchmal mache ich einen "ausflug" in die stadt, ich werd die augen offen halten, ob du mir nicht vielleicht tatsächlich wirklich 🙂 mal über den weg läufst 🙂 das wär zu schön!
    viele liebe grüße von dornrös*chen, das sich immer auf neue geschichten und gesichter von dir freut!

  • Angelika sagt:

    Liebe Smilla,
    ein sehr berührender Bericht!! Danke dafür!!
    Angelika

  • Sema Açıkgöz sagt:

    Merhabalar..
    Okurken çok heyecanlandım çünkü burada bulunun Kemal benim dedem, Fikriye babaannem, Miyeser benim halam olur. Çok güzel olmuş, çok teşekkür ederim. Onlarla konuştum çok memnun olmuşlar bu güzel ziyarete. Umarım bir daha ki ziyarette tanışırız.
    Sevgiler ..

  • Wooww excellent sharing..!!
    I wonder who is prepare this page?
    Kemal and Fikriye are my grandfather and grandmother so I thanks too much.I read this page until my understand.They are really very much value people so God is not except them to us.

  • Semra Açıkgöz sagt:

    Merhaba
    Ben;Kemal ve Fikriye Açıkgöz'ün geliniyim.Bu albümü yapanın ellerine ve yüreğine sağlık diyorum.Onların aşklarını fotoğraf karelerinde çok güzel yansıtmış,bizlerde bu değerli misafiri tanımayı çok istiyoruz.Sevgi ve selamlarımızla sonsuz teşekkürler…

  • Anonym sagt:

    Kemal ist mein Onkel Weil ich in Deutschland lebe und seit 5 jahren Arbeitslos bin konte ich mein Onkel Kemal nicht besuchen,Er ist mein einzige Onkel.ich habe mich sehr gefreut als ich das gesehen habe,1979-1980 Habe ich bei ihm gelebt als meine Eltern nach Deutscland kamen. Ich sollte die Grundschule abschliesen.Es war sehr schöne zeit mit ihm.Er ist eine sehr tolle mensch.Danke euch das ihr diese reportage mit ihm gemacht habt.

  • Anonym sagt:

    Hi ,

    It is Esma who is the first groundaugter of Mr.Kemal & Mrs.Fikriye.

    We are so happy to see our photos on your blog,
    The photo with bride , It is me..and I am so happy to see too,
    Many thanks for your kindly pains and sensetive ..

    I hope see you again..

    Esma AÇIKGÖZ YILDIZ.

  • smilla sagt:

    Anonym. oh, wie nett, wo wohnst du denn in Deutschland? Danke, dass du geschrieben hast

    Esma, thats so nice that you came by, he told me about your marriage, and he told me, that you liked the photo so much. I hope you've got one in the meantime?
    So many famailymembers who have written here yet, thank you all! I know that Kemal has about 23 grandchildren 🙂
    I say hello to all of you. I'm very pleased that I've met your grandparents! Smilla

  • aligator69 sagt:

    ich habe echt kein ahnung wie es dazu kam das mein kommentar als anonym angezeigt wird.ich heise Ali Acikgöz und wohne in Reutlingen.

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