Waschtag

Wäscheleinen mit wehenden Laken, im Winde flatternden Blusen und wippenden Unterhosen, (wobei letztere oftmals wahlweise Rührung oder Belustigung hervorufen, und einen diskret zur Seite blicken lassen), sind selten zu finden im Straßenbild deutscher Städte. Auf dem Land, in Dörfern, in Vororten, da erfährt die gute alte Wäscheleine noch, was es bedeutet am bundesdeutschen Alltag teilnehmen zu dürfen, wenngleich haupt­sächlich am sommerlichen.
Dabei kann man auch bei eisigen Tem­peraturen die Wäsche im Freien trocknen: nach der Froststarre taut die Wäsche wieder auf. Das Zauberwort heißt Subli­mation, trefflich erklärt an dieser Stelle.
Clothing lines with sheets blowing and blouses flapping in the wind, wafting underpants (which arouse either amusement or affection, and make us avert our gaze discretely ), those lines are rarely to find in german cities. Maybe at the countryside, in small villages or in some suburbs the clothing lines are supposed to participate at german all-day-routines, even though mostly the summerly all-day-routines.
Although it’s possible to air dry clothes outside at freezy winter days also. After the clothes are frozen they unfreeze again, and then their dry. This is caused by sublimation.

Öffentlich sichtbare Leinen mit trocknen­der Wäsche finden sich hauptsächlich „in armen südlichen Ländern“, und sie gelten als „Fahnen der Armut“, so schreibt die NZZ, und verschweigt auch nicht das daran haftende Stigma: Asozial.
Weiter gehts, bitte hier entlang…
Clothing lines in public spaces, full of airdrying clothing pieces exist only in poor southern countries, they are classified as flags of poverty, and the stigma asocial is coming along with it.
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Im scheinbaren Kontrast dazu steht ein Werbefilm aus den 80iger Jahren, in dem der Zuschauer via Kamera über satte Wiesen und Weiden hinwegfliegen durfte, die einer schier endlosen Wäscheleine voll mit heller, flächiger und unpersönlich anmutender Frischwaschware eine Heimat boten. Natur und eine glückliche Hausfrau im Taumel der saubergewaschenen Rein­lichkeit, so die Botschaft der missio­narischen Werber. Anzumerken wäre noch, dass die Wäsche zum einen schon trocken zu sein schien; Nässe ist vermutlich als Indiz für mangelnde Gründlichkeit zu werten. Zum anderen war die erwähnte Wäscheleine aber eben auch von derart absurder Länge, dass ihr lediglich exem­plarischer und keineswegs vorbildhafter Charakter im Sinne der öffentlich sicht­baren Hängung zugeschrieben werden konnte.
As a contrary a commercial of the 80ies may occur; a very long, almost endless clothing line was put into scene among green hills and lush meadows. It was full of flat sheets and clothing pieces of impersonal character. Nature and a happy houswife, surrounded by clean freshness, this was the message of the smart admen. I’d like to add that those clothing pieces looked like they were dry yet; probably wetness would have given an impression of a lack of efficiency. Moreover this clothing line was of absurd length, so that it was more an example than an exemplary for clothing lines in public areas.

Seit den 60er Jahren lebt der Wäsche­trockner ein fleissiges, wenn auch ener­giefressendes Leben in unser aller Mitte, und wie ich aus meiner persönlichen und unmittelbaren Nachbarschaft zu berichten weiß, handelt es sich dabei durchaus um ein Gerät mit kommunikativem Grundver­mögen: der Vollzug wird mitgeteilt, in sekündlichen Intervallen und mit durch­dringenendem Ton.
Since the early 60ies the tumble dryer is common in the western countries, eventhough tumble drying wastes a lot of energy. Anyway, the tumblers in my neighbourhood prove their communication skills more than I can stand: if they accomplished their mission a long beep fills the backyard at equal intervals.

Die meisten Bilder dieser kleinen Serie sind nicht in Deutschland entstanden, sondern in Istanbul. Allerdings hängt auch dort die Wäsche nicht in den repräsentativen Strassen der reichen Viertel, sondern da wo es weniger exklusiv zugeht.
Auch in  Amerika wird vielerorts das öffentliche Wäschetrocknen nicht gern gesehen, und ist bisweilen sogar verboten. Dies zu bekämpfen hat sich das Projekt Laundry List zur Aufgabe gemacht, dass unermüdlich die amerikanischen Staats­bürger zum öffentlichen Gebrauch der Wäscheleinen ermutigt. Jawohl, ermutigt!
Most of these photos are not taken in Germany, they’re from Istanbul. But also in Istanbul there are no clothing lines in the representative roads of the rich districts. As you easily can see, those photos are taken in less exclusive areas.
In some areas of the US it is even forbidden to use public clothing lines. The project Laundry line is fighting for the right to use them, and also is trying to encourage people to air-dry their clothes, for the reasons of saving money and energy.

Dem Shanghai Forum hingegen ist zu ent­nehmen, dass in China allerorten reichlich Wäsche draussen hängt. Die logische Er­klärung lautet wie folgt: weil in China die Luft so schlecht ist, öffnen die Menschen nur selten die Fenster. Da muss die Wäsche eben raus.
The Shanghai board tells a different story: in China obviously a large number of clothing pieces are hanging outside, and there is a simple explanation for this: for the reason that there is bad air all over the place, people hardly open the windows. So they put the laundry outside. 
11.02.2012

12 Comments

  • wollspiel sagt:

    Ich habe noch die Fahne der Armmut in meinem Garten stehen und nutze sie fleissig.
    Ein sehr interessanter Blick auf die Wäschekultur. Nieder mit den Stromfressern.

  • Anonym sagt:

    Ich bin damit auch aufgewachsen. Ich kann mich erinnern, dass, wenn wir unsere Verwandten in Barcelona besuchten, hing überall draussen die Wäsche, mit wunderbaren Leinenkonstruktionen, die bis zur anderen Strassenseite gingen. Wäsche, die in der Sonne trocknet, riecht so besonders lecker.
    Beste Grüße aus der Nachbarschaft
    Natàlia

  • Wir müssen uns mangels Garten mit dem Balkon begnügen!
    Aber bei diesem frostigem Wetter perfekt und besser als jeder Weichspüler!
    Viele Grüße Anja

  • mo jour sagt:

    ich erinner mich gut, dass wir in meiner kinderzeit die wäsche auf dem ungeheizten dachboden trockneten. da war sie oft brettsteif gefroren im winter! wir hatten auch so eine wäscheaufhängung wie auf deinem dritten foto von oben: das wurde mit der schnur in die senkrechte hochgezogen, bestückt und dann wieder waagerecht herabgelassen. es fiel mir oft was runter. da war die mutter böse!
    einen elektrischen wäschetrockner habe ich bis heute nicht, ich hänge sie immer raus auf den balkon. dass das auch bei frost funktioniert, wusste ich allerdings noch nicht. danke für den tollen erklär-link!

    beste grüße von mo jour – die jetzt erst mal waschen geht ;-))

  • Oona sagt:

    Das Wäsche im Freien zu trocknen bei Minusgraden habe ich irgendwie nie verstanden.
    Interessanterweise habe ich Wäscheleinen in Straßengängen in südlichen Ländern nicht als Zeichen für Armut, sondern für Klugheit gesehen. Warum nasse Wäsche bei 30 Grad in der Butze trocknen??
    Meine Mutter hängt am Samstag und Sonntag keine Wäsche auf ihren kleinen Balkon in der Wohnsiedlung. "Das gehört sich nicht."
    Ich habe im Sommer im Grunde nur Schiß, dass meine langweiligen Baumwollunterhöschen von 2. OG auf die Straße geweht werden – trotz zweier Wäscheklammern….LOL

    Dir ein tolles Wochenende!
    Oona

  • ste sagt:

    In 27 Jahren in Italien nie einen Wäschetrockner besessen, hier wird die Wäsche meist in Bad mit einer genialen Vorrichtung getrocknet

  • La Francaise sagt:

    Nice pictures on your blog!

  • renna deluxe sagt:

    Zu unserer Wohnung gehört ein "südländischer" Trockenplatz mit gespannten Seilen und quietschenden Rädchen zur Grundausstattung ;*)
    Schon allein dafür hat sich der Umzug in das "Nizza des Nordens" gelohnt.

  • smilla sagt:

    Oona, das mit dem Sonntags Wäsche aufhangen ist interessant, da hab ich beim googeln meterweise Foren zu gefunden, ob das nun erlaubt oder sittsam ist.
    Ich kann mal sagen, dass mich die laufenden und piependen Wäschetrockner auf den Balkons im Hinterhof deutlich mehr nerven, als bunte Wäscheständer.

    Renna, die quitschenden Rädchen, weil die Wäsche, wie auf dem ersten Bild, hoch oben in der Luft hängt?

    Ich hatte mal eine Wohnung im 5 Stock, Altbau mit Balkon und Wäscheleine mit Rollen.
    Wenn ich dann die Wäsche über den Abgrund gerollt ist mir regelmäßig schwindelig geworden. 🙂 Konnt kaum hingucken..

    mo jour, ja, an den Trockenboden meiner Oma kann ich mich auch noch erinnern, dumpfe akkustik, dumpfe Lufts auch irgendwie, und eine ganz eigentümliche Atmosphäre, als würden die Wäschestücke ein heimliches Trockenbodenleben leben

  • noz! sagt:

    smilla, oh danke für diesen Eintrag, der ist herrlich!
    Ich liebe Wäschetrocknen auf dem Wäscheplatz und meine Freunde auch, weil es in unserer kleinen Familie tatsächlich Farbwaschtage gibt (rot/orange, grün/erdfarben, blau/schwarz, weiß). Alle wissen genau, wann wir unsere Wäsche draußen haben, weil die a) imemr sehr farbenfroh ist und b) eben gründlich farblich sortiert.
    Im Winter muss sie leider im dunklen Keller vor sich hin trocknen, da uns so etwas Schönes wie ein Balkon fehlt und das Aufhängen vor den Fenstern …. nun sagen wir mal so … nicht gern gesehen wird 🙂

    Deine Fotos zum Beitrag sind wundervoll und haben eine ganz eigene, liebevolle Magie! Danke.

  • nic sagt:

    ich mag wäsche auf der leine… egal WO. wäsche auf der leine hat für mich etwas fröhliches, menschliches, unkompliziertes… wenngleich auch manche traurigen unterbüxen dazwischen manchmal mitleid erregen: 😉

    ich habe eine spießige wäschespinne im garten. OK, sie steht in einem bereich, wo ich nicht direkt draufschaue, wenn ich auf der terrasse sitze. missen möchte ich sie nicht mehr…. der duft von an der frischen luft getrockneten wäsche ist fast so unwirklich, wie die kilometerlange leine in besagtem werbespot, mit dem auch ich aufgewachsen bin. 😉

    LG… nic

  • rotlilie sagt:

    Ich lasse mich nicht beirren und trockne meine Wäsche bei fast jedem Wetter (außer es regnet)draußen auf dem Balkon. Ich liebe den Duft von an der Luft getrocknete Wäsche, v.a. jetzt bei klirrender Kälte. Hole ich den Trockner rein, hängt der frische Geruch noch sehr lange im Raum.
    Ich nehme auch keine Rücksicht auf Sonn-und Feiertage und darauf, dass die Wäsche nicht über den Jahreswechsel hängen darf!
    Nach meinem Umzug hierher habe ich nur bedauert, dass ich meine Wäschespinne im Garten nicht aufstellen konnte – sie hätte sich einsam und deplatziert gefühlt unter den argwöhnischen Blicken der jungen Familien ringsrum. Das wollte ich ihr dann doch nicht zumuten, aber gefehlt hat sie mir schon eine Weile….

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