Reisetagebuch

Den Frühling hab ich gesucht – den Herbst hab ich gefunden. Dieser freundliche Herr ist gerne unterwegs, und so kommt es auch, dass seine Kleidung eine Art Landkarte darstellt; die Schuhe sind aus Meran, der Pulli ist aus Innsbruck, Hut und Jacke sind aus Miltenberg am Main, und zumindest die Jacke ist schon über 25 Jahre alt. Die Schweiz, Italien und Österreich sind offensichtlich seine liebsten Reiseziele; alle möglichen Ortsnamen hageln auf mich ein, und für meine erkennbare Unkenntnis ernte ich ratlos tadelnde Blicke. „Gelernt hab ich nichts, aber ich hab immer Kabel gemacht…da hatte ich gute Arbeit. Und ich bin ‚en Altstadt-Kraat‚. Da bin ich auch zur Schule gegangen, aber die gibts heut nicht mehr.“ Eigentlich hatte er, als ich ihn angesprochen habe, gesagt „…wenn’s nicht zu lange dauert.“ Aber dann stehen wir doch eine ganze Weile beieinander, und der Abschied ist irgendwie zögerlich.
I was looking out for spring, finding autumn. This friendly man loves to travel, and so it comes that his clothes are kind of a map; the shoes are from Meran, the jumper is from Innsbruck, the hat and the jackett are from Miltenberg and at least the jackett is about 25 years old. Swiss, Italy and Austria are his famous travel destinations and he seems to be baffled about my lack of knowledge concerning the places he mentiones. „I didn’t learn anything, but I worked in the production of cables; so I always had good work. I was raised in the old downtown, and went to school there. It doesn’t exist anymore today.“ Actually when I approached him he told me taking the photo shouldn’t take too long , but in the end we stand together for quite a while, saying hesitantly good bye.

8 Comments

  • Anonym sagt:

    ob er wohl auch im letzten sommer auf dem frankfurter spaziergangskongress war?
    ob der ganz früher der wandervogelbewegung angehört hätte?
    auf jeden fall ein interessanter, sehr eigenständig wirkender mensch!

  • Schnitzel sagt:

    Cool! Hut ab!
    Ich weiss zwar nach der Lektüre des Wikis über Kraats immer noch nicht, was des genau is, över ejal.

    Er ist halt einer, das sieht man. Ob Teile der Jacke aus seinem Gesicht besteht oder umgekehrt, das interessiert mit mehr. Sehr eindrucksvoll. Und der Mann hat Hände! Vermutlich verlegt er in seiner Freizeit damit Unterseekabel.

    Wunderschön, danke Smilla, ein Kickstarter am Morgen!

  • rebhuhn sagt:

    wahrscheinlich nimmt sich sonst keiner zeit, mit ihm zu reden… schön. vor allem der pulli!

  • Anonym sagt:

    Ein Kraat ist ein kölscher Assi ;-))

  • Anonym sagt:

    Hallo, was ist aus der Israelin geworden, die Du eine Woche begleiten wolltest??

    dora

  • mo jour sagt:

    oh so ein schönes lebens-gesicht, welch ein ge-schichte von eindrücken: respekt!

    mein kölsches wörterbuch spricht:
    kraat = kröte, ungezogenes mädchen

    dat iss doch enen üselije kraat! (ziemlich beleidigend) = das ist doch ein abgewrackter penner.

    ich zum beispiel bin ene kalker kraat vun d'r schääl sick.
    sich selbst als 'kraat' zu bezeichnen, zeugt von gesunder selbstironie und typisch kölschem understatement 😉

    sonst noch fragen?!

  • Rieke sagt:

    Als er sagte "wenn's nicht zu lange dauert…" dachte er vielleicht noch Du wolltest ihm den 'Wachturm' oder ein Handy-Abo andrehen? ;-))))
    *Frühlingsscherz*

    Tolle Typen tust Du immer auf. Hier schau' ich echt gerne vorbei!

  • smilla sagt:

    @anonym: Michelle und ich sind für nächste Woche ab Montag verabredet; einmal haben wir uns schon getroffen, aber dann festgestellt, dass eigentlich viel zu wenig Zeit da ist, vor allem bei mir war es die letzte Woche alles zu viel…

    @mo jour; schön gesagt! Und von kölschem jefööhl zeugts auch, das Herz am rechten Fleck!
    Er war sowieso lustig, und meinte "Ha! Da geht Ihnen doch die Linse kaputt wenn Sie mich fotografieren…" und immer weiter allerlei…

    schön, dass er hier auch so willkommen ist jedenfalls!!

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