…nichts anders, außer das Gesicht


Fiona alias Fiona Famous

Wenn junge Männer werden“ hieß eine Theatergruppe meiner Heimatstadt, da­mals, als die ganze Welt gerade Anfang 20 war. Den Namen fand ich stets so treffend wie verwirrend, denn irgendwas ist ja nicht ganz korrekt an diesem Wortgebilde. Drei junge Männer waren es, die da „wurden“, und das beeindruckendste an ihnen schien mir damals ihr Mut zum Ausdruck.
Ausgedrückt wurde was nahe lag; ehrlich gesagt kann ich mich nicht an Details erinnern. Es war eher die Wucht die eben jenem Ausdruck innewohnte, die Courage sich zu trauen, mit allem raus zu trauen, die mich nachhaltig hat inne halten lassen.
Wenn junge Männer werden, erwachsen vielleicht, oder sie selber, dann entdecken sie so allerlei. An und in sich. Zum Beispiel die Liebe zur Veränderung, zur Verwand­lung, zur Vielseitigkeit, zum schwul sein vielleicht und dass sich das persönliche Sein keinesfalls in einer eindimensional statischen Form festgelegt wissen möchte.
„When young men become“ was the title of a theatre-group in my hometown, back then, when all the world has been in the early twenties. I always found this name as suited as confusing at the same time; somehow it sounds strange, after all. 
Three young men formed this theatre-group, three young men who have been ‚becoming‘. The most impressing thing about them to me was their expression.
I can’t exactly remember what they exactly expressed, probably the obvious. It was more the intensity of their way to express, the courage to show whatever they considerd inportant, which impressed me deeply and which made me pause to reflect things.
When young men become, maybe adults, maybe themeselves, they can discover quite a lot. About themselves, inside themselves. Maybe the attraction for changing, for transformation, for multi­plicity. Maybe they discover they’re gay or that the personal existence isn’t willing to get reduced to a static, one-dimensional form of being.


Ben alias Lady Sarafina

Flo alias Fiona Famous (ganz oben), Ben (Mitte) als Lady Serafina und Sascha (unten), der die Daphne nicht nur in sich trägt, sondern auch an seinem Leben beteiligt, sind ebenfalls drei junge Männer die da werden oder schon sind. Der beste Weg zum Werden ist möglicherweise ge­rade das Sein, das Wahrmehmen und Anerkennen all dessen was so los ist in ei­nem selbst.
Femmes-Fa-Gee, das sind Fiona und Daphne, die gemeinsam mit Lady Sarafina und einem zunehmend ausgelassen agie­renden Publikum jüngst einen wunderbaren Abend zelebriert haben.
Bei den Vorbereitungen hinter der Bühne und vor dem Spiegel habe ich die drei jungen Männer mit der Kamera begleitet und zu Frauen werden sehen. Zu Über­frauen, wie Flo es ausdrückt.
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Flo, alias Fiona Famous (above); Ben (middle) as Lady Sarafina and Sascha (below), who doesn’t only contain Daphne within himself but also integrates her in his life, are three young men, as well, who are becoming something, or maybe they are it already. The best way to become is probably to be, to witness and to accept all the inner, personal realities.
Femmes-Fa-Gees, aka Fiona and Daphne, together with Lady Serafina have been celebrating a georgeous night the other day, with their audience which also was acting more and more excitedly.
I, luckiliy, had the chance to accompany the three young men during their preparation for the show with my camera. Backstage and in front of the mirrors I could watch them changing to women. To mega-women, like Flo calls it.
See more, please follow…


Sascha alias Daphne

Gut zwei Stunden dauert die allmähliche Metamorphose vor den Spiegeln, sowie im Vorfeld ungezählte Stunden, in denen Kostüme mit endloser Detailverliebtheit angefertigt, umgestaltet oder überhaupt ersonnen werden.
The gradual metamorphosis, which is taking place in front of the mirrors, takes about 2 hours. Not to forget the countless hours of preparation, when costumes get designed, sewed and fixed with a great sense for details. 

Während des Schminkens sind die Damen gerne unter sich und legen Wert auf ein gewisses Maß an Ruhe und Ungestörtheit. Mit einer Mischung aus professionellem Ernst und beinahe beiläufiger Selbstver­ständlichhkeit widmen sie sich sodann ausgiebig und routiniert der Gestaltung ihrer zweiten (oder dritten?) Identität, die gleichberechtigt neben der ersten (oder einer weiteren Identität anderer Numme­rierung) koexistiert.
Flo verwendet später im Gespräch den Begriff der „gespaltenen Persönlichkeit“, um das gleichzeitige Vorhandensein einer weiblichen und männlichen Seite zu erklären.
Während ich den Prozess der Verwandlung miterleben darf ist für mich von  Spaltung nichts zu spüren. Von Abspaltung, also Negation, schon gar nicht.
Abgesehen von kosmetischer Geschäftigkeit und der wiederholten Konfrontation mit höchst alltäglichen Unbillen im organisa­torischen Hintergrundgeschehen, herrscht in der Künstlergarderobe vor allem dies: Friede, Friedlichkeit, Zufriedenheit.
During their make-up time the ladies prefer to stay among themeselves and they place value on silence and privacy. With a mixture of professional seriousness and casual naturalness they adress themeselves to shape their second (or third?) Identity, which easily exists beside the first (or onother identity of any number).
Flo uses the phrase of a „split personality“, to explain the simultaneous presence of  femality and masculinity. 
While I witness their process of metamorhosis I can’t state any kind of split-personality. And much less detachement, in a sense of negation.
Except for cosmetic bustle and some very ordinary difficulties of the organisationally background, which appear from time to time, the atmosphere in the wardobe room is dominated by this: peace, peacefulness and contentment.

„Die Minuten vor dem Auftritt sind Adrenalin pur“ sagt Flo. Bis zur letzten Sekunde wird gezupft, getupft, korrigiert und immer wieder wird das Gesamt­kunstwerk kritisch im Spiegel beäugt. „Auch wenn alle sagen ‚So ist es toll‘, man selber will immer noch etwas verbessern. Wie der Kölner Dom, der wird auch nie fertig.“
„The very last minutes before the show finally starts are a pure adrenalin-rush.“ Flo says. Until the very last second they’re dabbing powder, arranging the clothes, controlling the hair-do. Over and over again the work of art gets examined: „Even if everybody else says ‚It’s perfect‘, you always want to try to improve. Like the Cologne Cathedral, which also is never completed.“

Anders sein als die anderen, nicht wie alle sein, das ist ein Wunsch, eine Sehnsucht die Flo formuliert. „Vielleicht bist du ja anders und willst, dass das einfach gesehen wird?“ frage ich. Ja, sagt Flo. Er steht gerne auf der Bühne, er liebt die große Geste, er feiert die Weiblichkeit und er zelebriert das Kostüm. „Aber deswegen werde ich ja nicht zu einem anderen. Das bin ja ich. Eigentlich ist nichts anders, außer das Gesicht.“
To appear different than others, not to be like anybody, this is a wish, a desire, Flo declares for himself. „Maybe you are diffenent than others, and you simply wish to be apprehended?“ I ask him. Yes, Flo answers. He likes to be on stage, he loves the sweeping gesture, he’s ready to celebrate femininity and the extraordinary lady’s suit. „But I don’t change by doing all this. It’s still me. Actually nothing is different, but the face.“

Jeder Auftritt hat sein eigenes Kostüm. Hinter der Bühne halten fliegende Hände das nächste Kleid, die nächsten Hand­schuhe bereit und wechseln blitzgeschwind Schuhe, Perücke und Geschmeide.
Each performance comes along with a new costume. Backstage seemingly a  thousand hands are offering the next dress, the next pair of gloves, ready to change the wigs, the shoes, the jewellery.

„Auch wenn wir uns auf der Bühne feiern; uns ist es wichtig, dass das Publikum sich wohl fühlt und nicht einfach immer zu uns aufschaut, so nach dem Motto ‚Wir hier oben , ihr da unten.'“Die Gäste werden mit einem Sekt persönlich begrüßt und auch in der Pause verstecken sich die Damen nicht in der Garderobe.
„Even though we celebrate ourselves on stage; we consider the audience very important and want them to feel comfortable. We don’t want them to simply look on us, according to the motto: ‚We’re up here, you’re down there.‘ “ The guests get a warm personal welcome with a glass of sparkling wine and even during the break the ladys would’t escape to their wardobe room.

Bei der Probe….
The rehearsal….

…des Auftritts
…of the performance

Fast am Ende der Show kommt schließlich ein sehr besonderer Moment: Lady Sarafina schminkt sich auf der Bühne ab. Der Rückzug, den sie sich hierbei gestattet ist, dass sie dem Publikum den Rücken kehrt. „Das kann sie doch nicht machen“ denke ich und halte die Luft an. Währenddessen zerstören auch Fiona und Daphne hinter der Bühne ihre in zweistündiger Feinarbeit entstandene Maske um sich zum Abschluß als Männer zu zeigen. „Die nackte Wahrheit quasi“ sagt Flo. Ihr letztes Lied singen die drei gemeinsam ohne Perücke und ange­klebte Wimpern, ohne Playback und wallendes Kostüm. Da steht das Publikum schon lange auf den Stühlen und klatscht.
At the almost end of the show a very special moment is taking place: Lady Sarafina is removing her make-up on stage. The only retreat she allows herself is to turn her back on the audience. „This can’t be true“ I think to myself, holding my breath. Meanwhile Fiona and Daphne backstage are also destroying the work of two hours. For the last performance they appear as men. No wigs, no fake lashes, no playback, no flowing costumes. The audiences is excited and applaudes enthusiastically.

12.10.2012

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