„Mary, Mary, Mary“

Vier weitere Schwestern haben Mary (links) und Mary-Rose aus Marseille. Sie sind jedoch die einzigen Zwillinge in ihrer Familie, die übrigens eine eigenwillige Namens-Tradition lebt: alle sechs Schwes­tern heißen Mary in Verbindung mit einem wei­teren Namen. Allein Mary heißt wirklich nur Mary. Als ich frage, wie diese Beson­derheit sich wohl erklären mag, antwortet Mary-Rose: „Ja, unsere Familie stammt aus Kamerun, und da ist alles sehr christlich. Mary, Mary, Mary.“ Dabei rollt sie mit den Augen und zuckt die Schultern. Noch bevor Mary und Mary-Rose ein Jahr alt waren sind sie mit ihren Eltern nach Frankreich ge­zogen. Nach wenigen Jahren sind sie zurück nach Kamerun gegangen, haben dort fast 9 Jahre gelebt und sind schließ­lich wieder nach Marseille zurück­gekehrt. Wo nun eigentlich ihre Heimat ist, kann Mary-Rose nicht so richtig sagen: „In mir drin denke ich eigentlich nicht darüber nach, dass ich Schwarze bin. Aber vor kurzem war ich in Afrika und da waren natürlich alle schwarz. Und das war so seltsam, so viele Schwarze um mich herum, dabei bin ich selber schwarz und spreche doch die Sprache kaum und lebe ein ganz anderes Leben. Es ist verwirrend.“
There are six sisters altogether in Mary and Mary-Roses family. Both of them live in Marseille and they are the only twins of the family, which keeps to a special tradition concerning names: all of them are called Mary, combined with another name. Only Mary is just Mary. When I ask by what this peculiarity is explained Mary-Rose replies: „Well, our family is from Cameroon and this is a very christianly country. Mary, Mary, Mary.“ she says with a shrug, rolling her eyes. Before the age of one Mary and Mary-Rose came from Cameroon to France with their parents. Then, after a few years, they went back and were living in cameroon for about nine years. Then they moved to Marseille again. It’s hard to tell for Mary-Rose where her home is: „I usually don’t think about being black, but when I lately have been in Africa there were so many black people of course. And it felt strange in a way, so many black people, I mean I’m black, but I don’t understand the language and I live such a different live. It’s confusing.“

Mary-Rose arbeitet als Kunsttherapeutin: „Meine Klienten können malen oder auch schreiben, ganz wie sich gut ausdrücken können.“ Oft geht es in ihrer Arbeit darum, über die  Beschäftigung mit einem Thema und dem gewählten Medium einen Sinn für das Leben und für sich selbst zurückzu­gewinnen.
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Mary-Rose works as an art-therapist: „My clients have the opportunity to paint or to write, it depends on how they can express best.“ Her work is often about regaining  a sense for life or for oneself by concentrating on a topic and applying oneself to a medium.
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Die Idee meines Blogs gefällt ihr gut: „Ja, immer werden in diesen ganzen Schmier­blättchen die Stars gezeigt und schöne, reiche Leute. Dabei besteht die reale Welt doch aus ganz anderen Menschen.“ Ich freu mich, wie sie das sagt und erzähle ihr von Heinz.
She likes the idea of my blog: „Yeah, those shitty papers always show Stars and rich and beautiful people. But real-life-people actually are different.“ I like the way she says this and tell her of Heinz

Mary arbeitet als Buchhalterin. Sie ist die ältere der beiden, obwohl sie erst nach Mary-Rose auf die Welt gekommen ist: „In der Theorie gilt bei eineiigen Zwillinge nicht der als älter der zuerst auf die Welt gekommen ist.“ Ich bin erstaunt, und habe nun dazu ein bisschen recherchiert, aber nirgends einen Hinweis gefunden. Wer von euch weiß mehr darüber?
Nach Berlin sind die beiden gekommen um ihren 30 Geburtstag zusammen zu ver­bringen. Auch wenn sie nun nicht mehr ihren Alltag teilen, fühlen sie sich sehr verbunden. „Zwilling zu sein ist nicht immer toll, vor allem wenn man nicht mal einen ganz eigenen Namen hat. Besonders als ich jung war, hatte ich damit so meine Probleme. Aber ohne Mary fühle ich mich oft sehr alleine.“ sagt Mary-Rose. Sie erzählt von einem Buch von Milan Kundera, in dem er schreibt, dass jeder Mensch auf der Welt irgendwo sein Gegenstück finden kann. „Meistens wird der Gedanke ja mit Liebe verknüpft, also zwischen Mann und Frau. Wir brauchen nicht suchen, wir haben uns schon.“ 
Mary works as an accountant. She’s the older twin, although Mary-Rose was born first: „That’s a fact of the twin-theory; not the one who’s born first is the older one.“ I’m quite amazed at that fact, and after a little research I still don’t know anything about it: Who can tell me?
Mary and Mary-Rose came to Berlin to spend their 30th birthday together. Even though they don’t spend their all-day-life together they still feel very connected. „Being a twin isn’t that easy at all times. Especially when you don’t even have an individual name. When I was young this was hard for me sometimes. But without Mary I often feel very lonely.“ She tells about a book of Milan Kundera, who says that anybody can find his correspondent part in life somewhere in the world. „Mostly this idea is tied to love between man and women. We don’t need to search, we’re together already.“

15 Comments

  • naekubi sagt:

    Ich kann nur für Vietnam und die Infos meiner Mutter sprechen. Sie erzählte mir, dass auch in Vietnam das Kind, das von Zwillingen als Zweites auf die Welt kommt, das ältere ist, weil es dem anderen aus Verantwortungsbewusstsein den Vortritt überlässt.
    Aber ob man in Kamerun ähnlich argumentiert, weiß ich natürlich nicht 🙂

  • smilla sagt:

    naekubi, oh, tausend dank, das ist wirklich interessant, ich hoffe ich finde noch was dazu. Freu mich sehr über deinen kommentar dazu!!
    ich werd auch mary-rose noch mal fragen dazu; als sie es erklärt hat, klang es ganz wissenschaftlich eigentlich.

  • Anonym sagt:

    Das ist ja interessant… es scheint tatsächlich ein kulturelles Phänomen zu sein. Meine Schwester hat auch Zwillinge (geboren in HH) und da stand es nie ausser Frage, daß das zuerst geborene, bzw. in ihrem Fall "geholte" Kind auch als das Ältere gilt. Für die Elfenbeinküste habe ich jedoch das gleiche Argument gefunden, das auch naekubi nennt, erweitert durch den Hinweis, daß der ältere Zwilling "tiefer im Körper ist, da er zuerst seinen Weg suchte".

    Folgt man jedoch Einsteins Zwillingsparadoxon erübrigen sich diese Fragen irgendwie…

    Ich bin gespannt, was sich hier noch dazu sammelt.
    Gruß, Elke

  • Nina sagt:

    Schönes Portrait der Beiden!
    In den meisten westafrikanischen Gesellschaften gilt der erstgeborene Zwilling tatsächlich als der/die Jüngere, da man annimmt, dass der/die Zweitgeborene älter, reifer und weiser ist und daher dem/der Erstgeborenen den Vortritt gelassen hat (siehe exemplarisch diesen Artikel über Zwilling bei den Yoruba: http://www.randafricanart.com/files/p132.pdf).
    Zwillinge haben in (west-)afrikanischen Gesellschaften traditionellerweise immer einen besonderen Status, da sie entweder mit dem Okkulten/Bösen/Strafe der AhnInnen assoziiert werden oder als besonders glücksbringend gelten (so z.B. in Kamerun). Aufgrund dieses besonderen Status sind aus ganz Afrika spezielle Zwillings-Rituale bekannt und in fast jeder Sammlung afrikanischer Kunst finden sich Zwillingsfiguren oder Ritualgegenstände aus Zwillingsritualen. In der Ethnologie gibt es eine eigene Richtung der Zwillingsforschung, die sich mit diesen Phänomenen beschäftigt. Sehr interessant ist z.B. dieses Buch: http://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=Ag0uduy5bYEC&oi=fnd&pg=PP1&dq=anthropology+twin-research+west+africa&ots=7iDBWeHuLs&sig=eahy9fag1qDHKQvbT19OKAaWEng#v=onepage&q=anthropology%20twin-research%20west%20africa&f=false
    Grüße, Nina

  • smilla sagt:

    Nina, danke für die velen Informationen, das ist sehr interessant!

    hier der Link zu dem Buch

    Twins in African and Diaspora Clultures. Double Trouble,twice blessed

    ich hab es mir bislang nur kurz angesehen, aber ich bin sehr gespannt darauf.

    Hier der Artikel über Zwillinge bei den Yoruba:

    Randafrican Art

    Nun würde ich gerne wissen, woher du all das weißt; bist du Anthriopologin?
    (Ich muss wohl mal bessere Suchworte finden bei google…)

    Elke, ja, so kannte ich es bislang auch. Aber es ist wohl wirklich eine Kulturfrage.

    In dem Zusammenhang fällt mir ein, dass ein Freund von mir, der Maler ist, sich vor vielen Jahren in seinen Bildern mit Spiegelungen auseinanderhesetzt hat. Eine Zeit später war seine Frau schwanger, und die beiden haben Zwillinge bekommen. Das hat mich schon sehr beeindruckt damals. ich hab ein solches Spiegel-Bold von ihm und bin immer fasziniert davon.

    Das mit dem Spiegel-Paradoxon habe ich nun auch mal kurz angelesen (bei Wikipedia…), was hab ich nur für kluge und gebildete Leserinnen!! Das ist so eine Meta-Ebene, wo mir wirklich schwindelig werden kann.

    Zwillingsparadoxon

  • Nina sagt:

    Smilla, gern! Ja, ich bin Ethnologin. Zwillingsforschung ist zwar überhaupt nicht mein Spezialgebiet, aber so ein bisschen was ist da auch aus dem Studium hängen geblieben und ich beschäftige mich u.a. mit Westafrika. (Manchmal macht es Sinn auf Englisch zu googeln und ich nutze v.a. Google Scholar, wenn ich eine wissenschaftliche Frage habe) Das Spiegel-Paradoxon ist sehr interessant, aber, ja, zum Schwindeligwerden…

  • smilla sagt:

    Nina, toll, Ethnologin. Das interessiert mich. Was arbeitest du denn, bzw, welches wäre denn dein Spezialgebiet? Google scholar, gute Idee und dass du auf englisch googelst dachte ich mir schon. Danke 🙂

  • Oona sagt:

    Was eine hier nicht alles lernt… :O)

  • mona lisa sagt:

    Was es alles gibt, man erfährt (hier) immer wieder Neues, vorehr nie Gehörtes, wunderbar und bitte : weiter so!

  • Anonym sagt:

    Thanks sandra!
    It's nice to read my story and i feel important!
    The famous unknown person!
    Marie-Rose

  • smilla sagt:

    Marie-Rose, oh, how nice to read your comment! I'm glad you like it 🙂
    It was so nice meeting you, hope you enjoyed your stay in Berlin.

    Mona Lisa, Oona, jaaa, genau, geht mir auch so 🙂

    hab gerade gesehen, dass ich ene schöne Wortschöpfung kreiert habe: Anthriopologin. Klingt nach Pippi Langstrumpf und Plutimikation ( es ahndelt sich um einen Schreibfehler, das möchte ich doch gerne anmerken…)

  • Nina sagt:

    Smilla, ja, ich finde die Ethnologie auch toll :-)Du hattest gefragt, was mein "Spezialgebiet" ist: ich forsche im Bereich Transkultureller Psychiatrie, genauer gesagt über medizinische und religiöse Diskurse über psychisch-seelische Erkrankungen/Krisen bei westafrikanischen MigrantInnen in Berlin- in der Psychiatrie und in einer "afrikanischen" Pfingstkirche.

    Ich finde übrigens immer wieder, dass Du in Deinem Blog oft einen ganz ethnologischen Blick hast: Deine Neugier und Dein Interesse an Menschen und wie Du auf sie zugehst, und die Art, wie Du Dir über gesellschaftlich-kulturelle Phänomene Gedanken machst. Das gefällt mir ganz ganz gut und ich lese sehr gerne hier!
    LG, Nina

  • A-M sagt:

    Hier jetzt mal ein Kommentar zu den gleichen Vornamen:
    Ich kannte mal einen Mann, der 3 Brüder hatte, die alle Jan-… hießen. Also, wie bei den Marys, bloß waren es Jans 🙂 Ich glaube, sie wurden alle mit ihrem zweiten Vornamen gerufen. Das war bei denen (eine norddeutsche Familie übrigens) wohl auch eine Familientradition. Richtig zur Geltung kommt das ja aber auch nur, wenn es dementsprechend viele Kinder desselben Geschlechts gibt…

  • smilla sagt:

    Nina, na, das ist ja für meine Ohren ein wirklich spezielles Spezial-Thema. Wenn ich mal wieder in Berlin bin würde ich mich gerne bei dir melden. Vielleicht hast du Lust mir eine mail zu schreiben
    smilla(at)anders-anziehen.de
    Ja, das mit dem ethnologischen Blick sehe ich auch so, wenngleich das Ganze bei mir deutlcih unwissenschaftlich und ohne die entsprechende Grundstruktur ist. Mir fehlen auch ganz oft die Bezüge; und was ich immer wieder merke; je mehr man weiss, desto bessere Fragen kann man stellen. Oft wenn ich mit Thematiken konfrontiert werde lässt mich die reine Neugier und mein interesse fragen. Wenn ich dann später etwas recherchiere merke ich, was ich noch gerne alles gefragt hätte..

    A-M; eine große bunte Welt voll eigenwilliger Traditionen ist das. Dass es bei vielen Kindern besser zu geltung kommt glaub ich auch; wie die Jans das wohl finden, dass sie alle jan heißen??

  • Nina sagt:

    Smilla, Email ist unterwegs an Dich. Lass uns sehr gern treffen, wenn Du wieder mal in Berlin bist.
    LG, Nina

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