Lesen mit Frau Schmitt

 

(M)eine Art Buchbesprechung

»Als wir klein waren, haben wir dauernd gewunken. Für Fotos oder der Oma oder einfach so. Nachdem wir erstmal kapiert hatten wie es geht, haben wir es dauernd ausprobiert, auch bei fremden Leuten im Supermarkt. Wir wollten Beachtung und Zuwendung und mit dem Winken bekamen wir das sofort. Jetzt sind wir erwachsen und wollen immer noch Beachtung und Zuwendung, aber wir winken deswegen nicht mehr.«

Auch so ein schöner Absatz, den Heidi Schmitt in ihr Buch hineingeschrieben hat.

***

 

Mit dem Interessieren ist es ja so eine Sache: ich zum Beispiel interessiere mich für alles Mögliche. Bei manchen Dingen denke ich möglicherweise auch nur, dass sie mich interessieren, oder ich finde, dass sie mich gefälligst interessieren sollten. Oft bleibt das Interesse folgenlos, weil es dann doch irgendwie mühsam ist, sich ausführlich zu interessieren.
Laufen, zumal sportlich motiviert, zählt nicht zu meinen natürlichen Interessen. Gehen – ja. Laufen – nein. Meine Sportart ist das Schwimmen, ohne Zweifel.

Neulich aber habe ich einen ausgiebigen Nachmittag lang Heidi Schmitt fotografiert. Und die läuft in ihrer Freizeit. Beruflich schreibt sie Texte. Weil sie beides gerne tut, schreibt sie obendrein Texte übers Laufen. 2012 hat sie einige dieser Texte in ihrem ersten Buch veröffentlicht: Jubiläumsbecher in der Busspur.

Nachdem ich meinen Tag mit Heidi Schmitt in Frankfurt geteilt hatte, bin ich mit reichlich vielen Fotos wieder zurück nach Köln gefahren. Dort habe ich mir umgehend ihr Buch auf meinen Reader geladen.
Mein Interesse war geweckt. Weniger fürs Laufen, als für Frau Schmitt. Natürlich hätte es nun mühsam enden können. Dann hätte ich mich durch die Seiten gequält und viel zu spät zwischen höflichem und echtem Interesse unterschieden. Und ich hätte gehofft, dass Heidi Schmitt mich niemals fragt, wie mir ihr Buch gefällt.
Mühsam war allerdings nur eines: mir das Buch gut einzuteilen. Auf dass es nicht so schnell zu Ende sei.

Erfreulicherweise hat Heidi Schmitt soeben Buch Nummer zwei vollendet: Komm wir laufen aus. Als Spätlesende musste ich zum Glück also nicht lange auf das nächste Buch warten.
Und wieder ist es mühsam. „67% schon weggelesen“, droht mir mein Reader. Ich überlege die Schriftgröße zu ändern, um die Zahl zu meinen Gunsten kleinzurechnen. Das ist natürlich Unfug, aber so geht es nun mal zu in meinem Kopf.


Frau Schmitt hat natürlich auch selbst etwas über ihr zweites Buch geschrieben.

Heidi Schmitt schreibt Geschichten übers Laufen. Treffender müsste es eigentlich heißen, Heidi Schmitt schreibt ihre persönlichen Geschichten über ihr persönliches Laufen. Denn genau das macht die Sache interessant. Undramatisch wie das Leben kommen manche Geschichten daher, aber präzise beobachtet und feingliedig niedergeschrieben. Sogar als lesende Nichtläuferin fühle ich mich mitunter ertappt gesehen, weil soviel menschliches beschrieben wird.

Eine große Portion feinen Spott gönnt sich Frau Schmitt. Dafür Applaus, Applaus, Applaus!
Mal ist es der ironische Blick auf sich selbst oder das eigene Tun, mal stehen die Mitläufer in der Ziellinie. Frau Schmitt nimmt nämlich gern und häufig an Volksläufen teil. Der Volkslauf – das weiß ich nun –  fügt unser aller vermeintlicher Realität ein weiteres Paralleluniversum hinzu. Die Bewohner dieses Universums – wie die jedes anderen Universums auch – muten ihren Mitmenschen sich selbst und ihre Angewohnheiten mehr oder weniger raumgreifend zu.
In dieser eigenwilligen Volkslauf-Umgebung, die frei gewählt und liebgewonnen ist, nutzt Heidi Schmitt den Spott, um etwas vom solcherart ergriffenen Raum zurückzuerobern.
Das macht sie auf famose Weise.

Frau Schmitt schreibt über scheinbare Kleinigkeiten; über das Winken, Brötchengruppen, mürrische Rücken, Inselbegabungen, Regen, Schlaf, Streuselkuchen und – jawohl – über Diskriminierung. Die eigene nämlich.
Sie liefert einen Produkttest, den sie in einer Zukunft unternommen hat, aus der sie sich auch gleich ein paar neue Wörter mitgebracht hat.
Und sie wirft einen ausführlichen Blick zurück in die finstere Zeit bitteren Laufequipment-Mangels: „…als Läufer noch nicht einmal eine Stirnlampe hatten.“
Einfach schön. Auch für Schwimmer. Und gänzlich frei von (ernstgemeinten) Lauf-Ratschlägen.
Danke, Frau Schmitt!

Übrigens:
*Frau Schmitt hat einen Blog: „Laufen mit Frau Schmitt“. Dort erfährt man allerlei über Heidi Schmitts Leidenschaft.
*Natürlich auch über das neue Buch.
*Eine interessante Alternative zum Online-Giganten habe ich ebenfalls über Frau Schmitt kennengelernt: Buch7 , der Buchhandel mit der sozialen Seite
*Bloggen ist ja auch irgendwie wie winken.

12.11.2014

19 Comments

  • Ha, wieder einmal echt toll geschrieben von dir!!Wenn der Schreibstil von Frau Schmitt so gut ist wie deiner ,dann les ich es in einem Zug weg…und ich laufe sogar…LGKatja

  • Hallo Smilla,
    vielen Dank für den Tipp. Die Bücher kommen sofort auf meine Leseliste.
    Ich bin nämlich so eine immer-mal-wieder-Läuferin.
    Ich folge dem Rhythmus: Schweinehund – Aufraffen – Abhängen – Schweinehund – Aufraffen – Abhängen ….
    Vielleicht finde ich mich ja in den Büchern wieder und ich lasse mich gern motivieren. Jedes Mal aufs Neue ;o)
    Und wenn nicht das, dann lache ich gerne – über mich und andere …

    Lieben Gruß
    Astrid

  • Anna sagt:

    Wenn ich dann keine Klage wegen Verdienstausfallprovokation oder so am Hals habe, würde ich ja vorschlagen, ich erwerbe Heidi Schmittts erstes Buch in Papierform, lese es und schicke es dann – wie wir das damals bei "Adressat unbekannt" gemacht haben – an andere interessierte LeserInnen weiter, wenn Smilla und Heidi Schmitt(!) einverstanden sind und wenn Smilla sich nochmal bereit erklären würde, die jeweiligen Kontaktadressen zu vermitteln. Vielleicht hätte dann ja jemand anders Lust, das zweite Buch käuflich zu erwerben und ebenfalls weiterzuschicken. Nur so eine Idee… Ob das gut ist, weiß ich nicht.

  • Ich bin ganz berührt und freue mich sehr. Vielen Dank für das schöne Blogpost!

  • smilla sagt:

    Liebe Anna, wir machens anders: ich schicke dir das zweite Buch in Papierform zum lesen und mit Umschlag zum weiterschicken 🙂 Schöne Idee von dir!
    Wer also möchte auf die Liste?? einfach ne kurze mail an mich, ich freue mich!!

  • smilla sagt:

    Bitte, danke, gerne!

  • smilla sagt:

    Danke, ich verneige mich!

  • Rebekka. sagt:

    Ichichich! 😀 Das klingt alles super. Und am supersten: "Bloggen ist ja auch irgendwie wie winken."

  • Anna sagt:

    Liebe Smilla, au ja! Danke für den Service mit dem Umschlag! Ich kann dann ja nach dem Lesen des zweiten über den Kauf des ersten Buches nachdenken und ggf. den Vorschlag mit dem Weiterschicken nochmals in die Runde werfen… Freue mich also auf Post von Dir! 🙂

  • Manuela sagt:

    Ohja, bitte bitte ich auch. Ich liebe Bücher, die man Anfassen kann, eine Papierseite umblättern kann und richtige Buchstaben lesen kann, solche die immer gleich groß bleiben :o) Ja, und von den meisten, kann ich mich auch nach dem Lesen nicht mehr trennen, deshalb werde die damit gefüllten Regale immer mehr und nun freut sich auch schon meine kleine Tochter darüber: "Mama, kann ich auch mal deine Bücher angucken?"
    Liebe Smilla, deinen Artikel habe ich wieder mit großer Begeisterung gelesen – und ein bisschen Neid, gern würde ich auch so schreiben können wie du, ganz liebe Grüße und eine schöne Adventszeit für euch alle, Manuela

  • Natürlich finde ich es ok, wenn man ein ausgelesenes Buch verleiht oder weiter gibt. Als Autorin möchte ich trotzdem eines zu bedenken geben. Ich habe das Buch als "Selfpublisherin" veröffentlicht. Das bedeutet, ich habe es selbst finanziert. Kein Verlag hat mir einen Betrag X ausgezahlt. Die einzige Möglichkeit, die Kosten des Buchs wieder einzuspielen (und dabei rede ich nicht über Arbeitszeit, sondern über das Korrektorat, Bildrechte etc.), ist, dass ich Bücher verkaufe.

    Über Amazon kann man eine recht großzügige Leseprobe einsehen. Man kauft also nicht die Katze im Sack. Ich finde, man hat so eine gute Grundlage, sich zu überlegen, ob es einem 13,90 (oder im Falle des E-Books 6,99) Euro wert ist. Wenn es das ist, finde ich es fair, das Buch dann auch einfach zu kaufen. Auf meinem Blog stehen ja außerdem viele Geschichten kostenfrei zum Lesen zur Verfügung. Bücher weitergeben finde ich prima, wenn es aber zu einer Liste kommt, muss ich als Autorin, die auf den Kosten sitzt, doch mächtig schlucken.

  • smilla sagt:

    Ja, das ist natürlich auch wieder wahr. Ganz richtig. So ist es eben – der Alltag hetzt mich voran, und ich komm nicht zum alles bedenken. Mir gefiel spontan die Wiederholung einer Idee, die Anna wieder aufgebracht hat (an der damals 5? oder 6? Leser teilgenommen haben.) Was ja nicht die Welt ist, zumal es andererseits so auch ein Verteiler sein kann, Menschen, die es weiterverschenken, selbst behalten wollen … Was auch immer. Aber natürlich kann ich das Argument bzw. besser gesagt den Aspekt, als Autorin, die quasi selbstverlegend alle Kosten trägt, schlucken zu müssen, total nachvollziehen.
    Lassen wir das also besser. Stattdessen verschenk ich einfach eins.

  • Anna sagt:

    Liebe Heidi, oder liebe Frau Schmitt, danke für die ehrliche Äußerung! Finde ich sehr nachvollziehbar, sonst hätte ich auch das mit der Klage nicht geschrieben, was ich wirklich ernst gemeint habe, auch wenn's eher witzig formuliert war. Zugegebenermaßen war dann aber in mir der Gedanke vorherrschend, den auch Smilla äußert: der Effekt des Verteilers. Wie auch immer – ich werde mich also mal mit Muße der Leseprobe widmen und dann entscheiden, was ich tue.

    Herzliche Grüße –

    Anna

  • Oona sagt:

    Was für ein Glück, dass eine Freundin seit einiger Zeit angefangen hat zu joggen. Gern aber schneller laufen wollen würde.
    Weihnachten naht.
    Danke für den Buchtipp!
    Grüße nach Köln
    Oona

  • Anonym sagt:

    Liebe Smilla,
    ich wollte nur mal kurz "zurückwinken" und mich für den Buchtipp und deine Rezension bedanken.
    Liebe Grüße
    Carmen

  • Oh, das klingt ja toll! Ich bin auch eine Schwimmerin. Öfters schon habe ich es versucht mit dem Laufen, aber wir werden einfach nicht warm miteinander. Jetzt überlege ich, ob ich es wieder mal wagen soll. Daher danke für den Tip!

  • slo sagt:

    Das ist ja eine wunderbare Leseempfehlung für die kommenden Tage 🙂
    Mal sehen, ob ich mir mein erstes E-Book selber kaufe (bisher konnte ich in der Bücherei leihen) oder vielleicht bekomme ich ja das Exemplar geschenkt von dem hier gesprochen wurde oder der Weihnachtsmann schaut auf meine Wunschliste oder …
    Auf jeden Fall freue ich mich, als Läuferin, darauf.
    Einen lieben "Wink" an alle,
    Slo

  • Anna sagt:

    Da ich diesmal über den Jahreswechsel nicht verreist bin, gleich heute Nacht noch: Ein frohes neues Jahr, liebe Smilla! Möge 2015 für uns alle ein gutes Jahr in jeder möglichen Hinsicht werden – und ein Blogzeit-großzügigeres! So Deine Freude daran noch nicht im alten Jahr stecken geblieben ist…!?!!

    Beständig beste Grüße –

    Anna

  • Oona sagt:

    Liebe Smilla,
    ich wünsche Dir einen guten Start ins neue Jahr!
    Möge sich alles so entwickeln und gestalten, wie Du es Dir wünschst und brauchst.
    Herzlichst
    Oona

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