Kein Künstler

Das ist Ara Güler, der wohl bekannteste Fotograf der Türkei; das Auge von Istan- bul. Um der Wahrheit die Ehre zu geben; seine Arbeit habe ich erst im Zuge meiner Istanbul-Vorbereitungen kennengelernt. Je- doch war es sofort um mich geschehen; seine Fotos strahlen eine Selbstverständ- lichkeit des Momentes aus, die etwas sehr unmittelbares hat. In Beyoglu, ganz in der Nähe meines Hotels, ist das Cafe Ara. Es ist nach ihm benannt und angeblich, so habe ich gelesen, soll er manchmal dort sitzen. Bei meinem ersten Besuch halte ich natürlich Ausschau nach ihm, aber er ist nicht da. Mein nächster Besuch, ich schwö- re, ist absichtslos, das leckere Essen hat mich wieder hergetrieben. Diesmal aber ist er da, und mit klopfendem Herzen setze ich mich an den Nebentisch und bestelle erst mal einen Teller Nudeln. Wenn Ara Güler noch da ist, wenn ich aufgegessen habe, so verspreche ich mir selbst, dann geh ich hin. Weiter gehts…
This is Ara Güler, the most famous and well known photographer of Turkey; the eye of Istanbul. To tell the truth; I first met his work, while I was preparing myself for the Istanbul-trip. But I was lost immediately.; his photos are expressing such a self-evidence of situations, and they are very straight. In Beyoglu, quite near to my hotel, the Cafe Ara is located. It’s called after him, and sometimes, this is what I heard, he’s sitting there. At my first visit I keep my eyes open, of course, but he’s nit therer. The second time, I swear, I just come for the very good food, with no purpose at all. But this time he is there, and, feeling my heart-beat, I choose the table right beside his and I order some pasta first. „If he’s still there, when I’m finished, I’ll go and approach him“ I promise to myself. Please follow…

Ara Güler ist eine Legende und ich bin sicher keineswegs die einzige oder erste die ihn hier anspricht. Ich habe Angst vor einer Abfuhr, aber trotzdem frage ich, ob ich mich einen Moment setzen darf. Ich darf, welch Glück. Auf englisch erzähle ich ihm von meinem Projekt und bin an seiner Meinung darüber interessiert, und natürlich frage ich, ob ich ihn fotografieren darf. „Wenn Sie fremde Menschen fotografieren möchten, dann ist es wohl richtig das zu tun.“ brummelt er, und sagt, bevor wir reden solle ich erst die Fotos machen. Also fotografiere ich ihn in Windeseile, und zurück am Tisch fragt er etwas ruppig. „What is your question?“ Tja, denke ich bei mir, was eigentlich möchte ich von ihm wissen? Und antworte erst mal gar nichts. „Es sind so viele Bücher über mich geschrieben worden“, fügt er an. „Ich hab‘ keine bestimmte Frage“, sage ich zu ihm, „ich würde einfach nur gern ein wenig bei Ihnen sitzen.“ Das scheint Sinn für ihn zu machen und er fängt tatsächlich an zu plaudern: „Ich wünsche mir ein Privat- flugzeug, mit dem ich immer überall dahin fliegen kann wo es mich hinzieht. Vielleicht jetzt nach Deutschland, da ist es nicht so heiß.“
Ara Güler is a legend and for sure I’m not the first and only person whowant’s to talk to him in this cafe. Although I’M afraid that he rebuffs me I go to him and ask, if I may sit down for a minute. He allows me to; what a luck! In english I tell him about my project, and I want to know what he thinks about it, and of course I ask if I may take a picture. „If you want to take photos of foreign people, then it must be the right thing to do.“ he mumbles, and he tells me first to take the pictures, before we start to talk. So in almost no time at all I hurry to take my photos, and back at the table he asks: „What do you want to know?“, being gruff a bit. Well, I think to myself, what excactly do I want to know? And first I don’t answer. „There are so many books written about me.“ he goes on, and I say: „I don’t want to know anything special; just want to sit with you for a while.“ That seems to make sense to him, and he even starts chatting a bit: „I wish I had a private plane, so I always could get where I want to be. Maybe germany now. It’s not that hot in germany.“

Dabei ist Ara Güler mehrfach um die Welt geflogen. Und doch ist er eng mit Istanbul verbunden, wo er 1928 geboren wurde. Auf meine Frage, was ihm im Leben wichtig ist, wiederholt er zunächst die Frage: „Was ist wichtig? Alles ist wichtig, und Nichts ist wichtig.“ Dabei schüttelt er leicht den Kopf, als würde er mehrere Dinge in Betracht ziehen, die sowohl wichtig als auch unwichtig sind. „Salvador Dali, er ist eine wichtige Person.“ sagt Ara Güler und macht eine relativierende Bewegung mit den Schultern. „Picasso; eine wichtige Person… Wichtig…, wichtig ist die Wahrheit.“ Und er hält mir einen längeren Vortrag darüber, dass Fotografie keine Kunst sei, sondern ein Abbild der Wahrheit. „Wenn im Film ein Zug kommt, dann weil der Regisseur gesagt hat, dass er einen Zug will. Ein Fotograf zeigt einen echten Zug. Kunst ist immer Lüge. Fotografie zeigt die Wahrheit, deswegen ist der Fotograf kein Künstler. Er sieht nur, was es zu sehen gibt, und macht ein Bild. Dann ist der Moment vorbei, aber er war da. Jede Nacht sterben soviele Hamlets…“
Though Ara Güler has been across the globe for several times. But anyhow he’s close-knit with Istanbul, where he was born in 1928. On my question, what he considers important in life, he first repeats the question: „What is important? Everything is important, and nothing.“ he says, shaking his head lightly, like he considers things which are important, and unimportant at the same time. „Salvador dali, he’s an important person.“ Ara Güler says, hunching his shoulders to relativize. „Picasso, an important person… Important…. Truth is of importance.“ and he gives me a lecture why photography is not an art, but a reflection of truth. „If you see a train in a movie, it’s because the director asked for a train to come. A photographer shows a real train. Art is always a lie. Photography tells the truth, that’s why a pfotographer is not an artist. He just sees what can be seen, and he takes a picture, Then the moment is gone, but it was true. Every night there are so many Hamlets dying…“

26 Comments

  • Anonym sagt:

    Das mit der "Wahrheit" ist ja höchst diskutierenswert. Aus hermeneutischer Perspektive eine ziemlich haltlose Behauptung, dass ausgerechnet Fotografen (und diese von Künstlern abgegrenzt) die Wahrheit zeigen.

    "Jede Nacht sterben so viele Hamlets" – sehr schön.

    Mit dem Herrn hätte ich mich wahrscheinlich augenblicklich gezankt. 😉

  • Liisa sagt:

    Wie heißt es so schön? Dem Tüchtigen ist das Glück hold! Was bist Du für ein Glückspilz, dass Du Ara Güler tatsächlich getroffen und sogar selbst mit ihm sprechen konntest! Und schöne Fotos hast Du "auf die Schnelle" von ihm gemacht! Interessant, was er zum Thema Kunst und Fotografie zu sagen hat! Demnach gibt es Fotografie, die uns packt, weil sie so wahr ist (Wahrheit entdecken und abbilden können, wäre damit eher eine besondere Gabe, ein Talent) und Fotografie, die uns packt, weil sie etwas Künstliches schafft und das in großer Vollkommenheit?). Interessant, muss ich mal weiter drüber nachdenken.

  • blancheneige sagt:

    eine interessante Persönlichkeit, danke für die Entdeckung. Seine Bilder von Istanbul geben Lust, an den Bosporus zu reisen.

  • Ann M. sagt:

    Sehr, sehr interessantes Gespräch, und schöne Fotos.

  • proletkult sagt:

    "Ara" war natürlich gemeint… 😀

  • proletkult sagt:

    Smilla, du bist 'ne Bombe! Meine Mutter und ich lieben schon lange die Bilder von Ana Güler und die Szene, die du beschreibst, klingt wie aus einem Film! Respekt, dass du den Mut hierzu gehabt hast. Es sind offenbar ein philosophisches Gespräch und ein paar tolle Portraits dabei rausgesprungen.

  • dat Bea sagt:

    Faszinierend. Auch wenn er auf den ersten Blick nicht glücklich zu sein scheint mit der Wahrheit, die er fotografiert, seine Augen sind so tief und…da fehlt mir schon wieder das passende Wort. Weise? Klug? Lebenserfahren? Von allem etwas vielleicht…

    Ich überlege auch immer noch (weißt du noch? Die Zahnärztin mit den Stulpen http://anders-anziehen.blogspot.com/2010/07/was-bin-ich.html#comments) über einer Erklärung daran, wie ich deinen Blog empfinde. Ich sitze jeden Tag wieder daran lach was für mich schon mal eine fantastische Übung für Geduld ist, eigentlich bin ich wortsicher.
    Versuch: es gibt eine Ahnung, dass alle Menschen zwar verschieden, individuell sind – aber in ihrer Verschiedenheit auch wieder ähnlich – egal wo auf der Welt….Du fängst das in deinen Bildern ein.

    Da fehlt noch was. Aber ich habe ja Zeit 🙂

    Lieben Gruß

  • rebhuhn sagt:

    das erste foto gefällt mir am besten – wegen dieser rangezoomten nachlässigen nähe. wow. jede nacht sterben so viele hamlets – was für ein toller spruch!

  • theodoraa sagt:

    eine absolut wunderbare und poetische begegnung!

    und seine aussage über die wahrhaftigkeit der fotografie, finde ich faszinierend…v.a. in unserer zeit, in der alles von photoshop und co. durchgeglättet und vereinheitlicht wurde.

    merci für dieses potrait (und für deinen mut ihn anzusprechen!) 🙂

    beste grüße, theodoraa

    ps. überhaupt: dein blog und die menschen, denen du begegnest sind echt immer ein highlight. auch danke dafür! 🙂

  • Hatice Akyün sagt:

    Du hast ihn also getroffen? Glückwunsch! Ara ist eine Legende, ein wunderbarer Mann, ein Erzähler, ein Mensch! Schau auf seine Bilder und du erkennst, was er in sich trägt.

  • KÖLN FORMAT sagt:

    Super! Hast du ein Glück! Und trotz des Drucks aus zeit und unter professionellen blicken sind auch die Bilder toll geworden! Gelingt mit leider nicht, im Moment…
    kannte ihn nicht, jetzt hab ich schon viel gefunden über ihn…
    liebe grüße,
    heike

  • smilla sagt:

    Ich freu mich, dass ihr alle soviel mit den Bildern und dem text anfnagen könnt; für mich war es in der Tat eine erhebende Begegnung, und kurz darauf habe ich sentimental in Erwägung gezogen nie wieder meine Speicherkarte zu löschen… 🙂

    anonym, also hermeneutisch musste ich erst mal nachschlagen…und hier für alle, die das auch müssten:

    "Hermeneutisch" bei Wikipedia

    ich bin heute zu müde, aber ich werde darüber moregn mal gründlich nachdenken 🙂

    Ervehea, ja..danke… Mut hat es mich schon gekostet, aber wie es so ist wenn man sich fragt "Würde ich mich später ärgern, wenn ich mich nicht traue…" 🙂

    Liisa, ja ich glaube in diese richtung geht es wohl; den Moment zu sehen, festzuhalten beschreiben, wiedergeben zu können…das halte ich schon für eine Gabe. Bei allen Gewerken; zb schriftsteller beschreiben ja manchmal auf die kunstvollste Weise die alltäglichsten Momente und vermitteln so deren tatsächliche Bedeutung für den Menschen, der sie allzuoft als banal abtut. Und dann natürlich die andere Art der Fotografie, über die Ara Güler aber nicht gesprochen hat, weil sie zu wenig seine zu sein scheint.

    bea, das freut mich wie und was du schreibst, und auch dass du dir solche Mühe mit der Formulierung machst :-)… schön! 🙂

  • Ulli sagt:

    Toll, toll, toll. Ich denke immer besser geht es nicht, aber du überraschst mich immer wieder.

  • smilla sagt:

    Ulli, :-), danke, schön zu lesen! (besonders weil ich mich seit 'ner weile mit dem Kopftuchthema rumschlage, das als nächstes kommt 🙂 )

  • Isidora sagt:

    Kennt Ihr das, immer wenn man gerade eine Reportage im Fernsehen (in diesem Fall über diesen unglaublich interessanten Mann) gesehen habt oder Euch mit einem bestimmten Thema auseinander setzt, schon begegnet es einem immer wieder.
    Smilla, Du bist ein Glückskind. Hätte Ara Güler auch gern kennen gelernt und Respekt, dass Du einfach nur bei ihm sitzen wolltest. Alles andere hätte er wahrscheinlich abgelehnt.

    Liebe Grüße,
    Isidora

  • Anonym sagt:

    wow, du bist mutig 🙂
    danke fürs näherbringen von so großartigen leuten!
    ~mii

  • croco sagt:

    Vorher dachte ich noch, woher kenne ich ihn bloß.
    Bis es mir wieder einfiel.
    In Orhan Pamuks Buch "Istanbul-Erinnerung an eine Stadt" sind ganz viele Fotos von ihm. Und er dankt ihm auch persönlich auf den letzen Seiten.
    Eine schönes Buch. Mit ganz besonderen Fotos eben.
    Ich nehme an, Sie kennen es.

  • smilla sagt:

    Isidora, oh…wo lief denn die Reportage?? wie schade, die hätte ich ja auch gerne gesehen. weisst du wer sie gemacht hat?

    Croco, ja, das kenn ich das Buch, auch wenn es erst halb gelesen in meinem Bücherstapel liegt..

  • kaltmamsell sagt:

    Mal wieder tiefen Dank für Ihren Blick, Ihr Einfühlungsvermögen, Ihre Geschichte.

  • Isidora sagt:

    Liebe Smilla,
    das weiß ich leider nicht mehr. Es muss entweder bei Aspekte im Zweiten gewesen sein oder in den digitalen Programmen der öffentlich-rechtlichen Sender. Die bringen tatsächlich ja auch mal etwas Schönes.
    Tut mir leid, dass ich Dir nicht weiter helfen kann.
    Aber ich kann mich noch gut daran erinnern, dass er in seinem "Atelier" gefilmt wurde und an der Wand ein Bild von Picasso hing, welches er selbst aufgenommen hat.
    Seine ehrliche Art Fotos zu machen hat mir gut gefallen.

  • Beate Knappe sagt:

    ja ja die Fotografen Legenden, ich erinnere mich an den Momenet als ich Robert Lebec entdeckte. Ganz bescheiden war er einfach da neben den andern Möchte-Gern-Starfotografen und ich habe ihn angesprochen, ebenso wie Jim Raket, den ich doch tatsächlich am Ort seiner Ausstellung in HH traf.
    Du hast genau das richtige getan und die Fotos von ihm sind zauberhaft – wie alle Deine Fotos. Und glaub ohm nicht Fotografie ist immer eine subjektive Interpretation niemals Wahrheit, das wissen wir heute und, so wie du mit dem Licht umgehst bist du eine Künsterin

  • croco sagt:

    Das Buch hab ich auch nur halb gelesen. Dafür schäme ich mich etwas, da es sich ja schließlich um einen Nobelpreisträger handelt.
    Aber ein bißchen langweilig ist es schon.

    Dafür hab ich aber alle Fotos anschaut.

  • Konzertheld sagt:

    Wow, was für ein beeindruckender Mensch. Bei den Fotos war mein erster Gedanke irgendwas mit muffeligem Alten… aber du hast ja wohl einen Draht zu ihm gefunden. Beeindruckend. 🙂

    Vielen Dank auch für die anderen Fotos aus Istanbul. Sitze gerade im Zug und habe die Zeit genutzt, mal wieder in Ruhe bei dir reinzuschauen. Die meisten Fotos und Beiträge von dir versetzen mich ins Staunen – auch wenn ich nicht immer einen Kommentar da lasse 🙂

  • smilla sagt:

    Konzertheld, schön dass du dich dann heute hier zu Wort meldest 🙂
    wie machst du das, dass du im Zug Internetzugang hast, der nicht dauernd zusammenbricht???

  • Konzertheld sagt:

    smilla: Niemand hat gesagt, wie lange es gedauert hat, den Kommentar abzusetzen…

  • Sally sagt:

    tolle begegnung, tolle persönlichkeit, tolle bidler!!!

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