Evolution

Mein täglicher Museumsbesuch hat mich vorgestern nach Bonn in die Kunst- und Ausstellungshalle geführt. Dort zu sehen ist momentan eine große Max Liebermann Schau. Einen Künstler in nur einem Satz beschreiben ist schlicht nicht möglich. Ich machs trotzdem kurz:  Wegbereiter in die Moderne lautet der Untertitel der Aus­stellung, und was mich persönlich beschäf­tigt sind seine Portraits von Menschen – auch die der eigenen Person. Er hat nicht beschönigend gemalt, zB. die Spuren des Alters gezeigt, und ist damit in einer Zeit der idealisierenden Portraitmalerei zu­nächst ordentlich angeeckt.
Auf dem Dach der Kunsthalle wurden Ele­mente des Gartens seines Hauses am Wann­see nachgebaut. Dort treffe ich Nancy, die, an ein kleines Mädchen erinnernd, durch die Rabatten hüpft und ganz offensichtlich begeistert ist ange­sichts der Blumenpracht. „Sie sehen so dankbar aus“ spreche ich sie an, und sie antwortet: „Ja, das bin ich auch.“
Nancy kommt aus Kanada, ist derzeit zu Besuch in Bonn, und von Beruf ist sie Kernphysikerin. Vielmehr war das ihr Beruf, denn nun ist sie 71, und sie übt ihn nicht mehr aus. Was Nancy beschäftigt, und worüber sie spricht als ich frage was an dem Dachgarten sie so fasziniert, sind, neben der Schönheit, unterschiedliche Aspekte, die „für einen Wissenschaftler wichtig sind.“ Ordnung, Anordnung, Zweifel, Beweise.
My daily visit of a museum two days ago leaded me to the Kunst- und Ausstellungshalle Bonn, where only special temporarily exhibitions take place. Currently, among others, Max Liebermann is presented, one of the leading german impressionists. It’s hard to describe an artist only in a few words; but I’ll try my best: Pioneer to modern age is the subtitle of the exhibition. Personally I’m impressed by his portraits; of others and of himself. He didn’t paint in a sugarcoating way, eg, he showed the signs of age, and in a time of idealized portraits he definitely provoked more than only consternation. At the museums rooftop parts of his garden of his house close to Berlin were rebuilded. There I meet Nancy, who, like a little girl walks around, through the garden, obviously filled with joy. „You look so thankful“, I approach her, and she replys: „Yes, I am!“
Nancy is from Canada, currently on a trip to germany, and she is a nuclear physicist. Or more precisely, she used to be one. She’s now 71 years old, and doesn’t work anymore as a scientist. I ask her what she appreciates so much about this garden. Among the beaty of it she points out some things which are of importance for a scientist: order, doubts, proofs.

„Man geht von bestimmten Dingen aus, zb. das Gras ist grün. Dann sieht man, dass Gras und Blätter viele Farben haben können, dass die Dinge so oder so angelegt sein können, und nicht nur wie es naheliegend scheint.“
Ein Thema, das Nancy beschäftigt, ist die Evolution, bzw. die Frage ob sie selbst eher die Evolution oder göttliche Schöpfung als Ursprung der Welt sieht. Das mag für einen Wissenschaftler ungewöhnlich sein, aber Nancy hat sich das Zweifeln an­gewöhnt: „…und ich habe viele Zweifel.“ Sie zweifelt nicht aus Misstrauen, sondern eher aus Demut: „Wir wissen heute Dinge, die hätte Darwin nie für möglich gehalten. Wie können wir also davon ausgehen, dass wir alles wissen?“
„We assume things to be somehow; grass is always green, for example. Then we realize there are many colors for grass and leaves, things can be structured either way, not only like it may seem obvious.“
One topic of interest to Nancy is evolution, resp. the question whether she considers evolution or God’s creation as the worlds genesis. That may occur exceptionell for a scientist, but Nancy formed a thinking of doubt: „…and I have a lot of doubts.“ But she doesn’t doubt for the reason of mistrust but for the reason of humbleness: „We know so many things nowadays, which Darwin wouldn’t ever have suspected. So, how can we expect, we know everything?“

16 Comments

  • Liisa sagt:

    Mal wieder der Beweis dafür, wie schön man altern kann und obendrein hat sie auch noch ein wunderbar warmes Lächeln!

  • Anna sagt:

    Beeindruckend, mit welcher feinen Beobachtung Du Nancy angesprochen hast, und beeindruckend, welche Gedanken sie Dir (und durch Dich wiederum uns) dann preisgegeben hat!

    Danke an Euch beide!

    Der beige Pullover steht ihr sehr gut, finde ich!

  • Ach Smilla,
    ich LIIIIEEEBBBBEEEE Deine Fotos, besonders die von älteren Menschen. Sie wirken darauf nie vorgeführt, lächerlich gemacht oder zum alten Eisen gehörend, sondern immer würdevoll, erfahren und neugierigmachend. Wenn ich die Bilder anschaue, denke ich immer: Ja, so möchte ich auch älter werden. Mußte ich mal loswerden.

    Beste Grüsse
    Doris

  • Schnitzel sagt:

    Die Frage nach Gott ist bei Wissenschaftlern, die sich mit der Entstehung des Universums usw. befassen gar nicht so ungewöhnlich, siehe Galileo, Newton und Einstein. Nur mal am Rande.

    Extra-coole Frau!

  • Annika sagt:

    Wenn ich mal 71 werde, dann moechte ich genauso sein wie Nancy! Hm. Eigentlich moechte ich JETZT schon so sein wie Nancy!

  • rebhuhn sagt:

    das erste und das letzte foto sind supertoll! [ersteres wegen ihres geraden blicks und letzeres wegen des fokus, der gerade hinter den interessanten größeren orangen blumen scheint ;)…]

  • BittyAmbam sagt:

    "Wie können wir davon ausgehen, das wir alles wissen?!!" das frage ich mich auch oft…man lernt jeden Tag dazu und nur der , der bereit ist zu staunen, zu zweifeln, sich zu freuen, dankbar zu sein, seine Gefühle zu zeigen der lebt und lernt, dazu ist man nie zu alt.
    Nancy finde ich eine bemerkenswert "jung gebliebene" wenn ich das mal so ausdrücken darf, Frau, die sehr, sehr sympathisch "rüberkommt"
    Ich liebe deine Bilder und Geschichten dazu und kann mich nur- Doris von der Waschküche -anschliessen.

    Liebste Grüsse Bitty

  • smilla sagt:

    Schnitzel.
    da hast du natürlich recht,
    bemerkemswert ist auch eher, dass sie die Frage zugunsten der Schöpfung beantwortet, und sich mehr und mehr dem religiösen Glauben zuwendet.
    da hab ich ,ich ungenau ausgedrückt.
    Wie das bei Galileo …war hab ich nicht parat (ich bin nicht so abruf-gebildet)

    Doris und Bitty AmBam: danke!! 🙂 was ich an Nancy so bemerkenswert finde ist dass sie zugleich so unheimlich jung wirkt. Wir haben richtig lang geredet, und ich bin froh sie angesprochen zu haben.

    Annika 🙂

  • Schnitzel sagt:

    Ohne das nachgeprüft zu haben, das hier sind doch einige bekannte Namen, die sich dem Glauben ZUwenden:
    http://gott.es/bekenntnisse.htm

    Galileo: "Die Tragik von Galileos Wirken liegt darin, dass er als ein zeitlebens tiefgläubiges Mitglied seiner Kirche den Versuch unternahm, eben diese Kirche vor einem verhängnisvollen Irrtum zu bewahren. Seine Intention war es nicht, die Kirche zu widerlegen oder zu spalten, …" (Wikipedia)

  • smilla sagt:

    schnitzel;danke sehr, da bin ich dann mit meiner aussage wohl einem irrglauben aus unwissenheit erlegen…

  • Mim sagt:

    Roof-top gardening for beauty, yes; and also for cooling/insulation?

    My initial response, I realize, was to assume I was looking at a gardener. My surprise that Nancy was a scientist says something about my stereo-typing: blue eyes, pleasant face, smile, female=Lady Nice Nice Flower–and not much else. I'm happy to learn I was off base.

    Warm greetings from South Beach

  • Pip sagt:

    Nancy ist klasse! Ihre Zweifel aus Demut finde ich sehr bewundernswert, das ist eine weise Einstellung.

  • Emma sagt:

    was für eine bezaubernde Frau!

  • Pretty flowers, the flowers and the lady.

  • Olaf sagt:

    Liebe Smilla!

    Danke für den Blog, die schönen Bilder und Geschichten!

    Mich freut, wie sinnlich und liebevoll so ein Internet-Tagebuch sein kann. Mich fasziniert, was für spannende und sympatische Menschen Du im anonymen Großstadtmilieu entdeckst. Es ist, als würde mich jemand auffordern: "Schalte den Computer aus und kümmer Dich um das echte Leben".

  • smilla sagt:

    Olaf, danke sehr 🙂

    …naja, wenn jetzt alle den Computer ausschalten…(dann wär die Welt plötzlich wieder viel größer.)

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