Deutsche Fremdwörter

Am Tag vor meiner Reise nach Istanbul begegne ich Wolfgang. Er ist ein Kind des Ruhrpotts, mit entsprechendem Dialekt und einer Stimme die stark an den „Nicht- raucher“ aus dem verfilmten Kinderbuch- klassiker „Das fliegende Klassenzimmer“ von 1973 erinnert. Heute arbeitet Wolf- gang als Speditionsfahrer; gelernt hat er Betriebsschlosser im Bergbau. Diesen Beruf gibt es heutzutage gar nicht mehr, man sagt nun Industriemechaniker. Während Wolfgang mir erklärt was seine Aufgaben waren bin ich zunehmend erstaunt; zum einen beschreibt er einen sehr umfassen- den Tätigkeitsbereich; vom Maschinen warten bis zur Betriebsfeuerwehr ist alles dabei. Zum anderen aber benutzt er mit größter und unprätentiöser Selbstverständ- lichkeit lauter Begriffe die ich nicht ver- stehe: da ist von Pütt und Flöz die Rede, und ich freue mich dass ich immerhin weiß, was eine Kaue ist. „Ja, lauter Fremd- wörter,“ sagt Wolfgang und lacht, „aber alles deutsche Fremdwörter.“ Seinen Bart hat er seit über 40 Jahren: „Als ich fast mit der Hauptschule fertig war, da hat mein Rektor mir gesagt ‚Wolfgang, mit dem Bart wirst Du keine Lehrstelle finden, du mußt dich rasieren.‘ Aber da hab ich längst schon meinen Vertrag in der Tasche gehabt.“

Meine Istanbul-Reihe soll hiermit übrigens noch nicht beendet sein…

I meet Wolfgang the day before my trip to Istanbul. He’s a child of the Ruhr district, where a special dialect is spoken, and his voice is deep and rough. Wolfgang works as a haulage driver in these days, but once he learned what we call in germany operations fitter at the mining. This profession doesn’t exist any longer, today it’s named industrial mechanic. While Wollfgang explains his former job to me I’m getting more and more confused. On one hand he describes a wide range of  tasks he was responsible for; from maintaining machines to duties of a fireman. On the other hand, with great self-evidence, he uses a lot of words which I don`t understand. All these words belong to the special dialect of the Ruhr district and the profession of the mining men. Unfortunately I’m not able to translate them, but Wolfgang translates them to me: „Yeah, quite a lot foreign words. But there all german foreign words.“ he says and laughs. He’s got his beart since about 40 years: „When I almost finished secondary school the director came to me and said ‚Wolfgang, you won’t find an aprenticeship place with this beart. You’ll have to get shaved.‘ But I had my contract already in my pocket..“

My Istanbul series isn’t finished yet, besides…

01.09.2010

14 Comments

  • Anna sagt:

    Wieder einmal passt es wie ein Puzzlestück: Erst geht es um das Kopftuch, was hier zulande mancherorts für manche Berufsgruppen ja auch nicht als "adäquat" gilt – und dann erzählt dieser Mann, dass ihm fälschlicherweise prophezeit wurde, sein Bart verhindere seinen beruflichen Werdegang… Wo leben wir eigentlich??

    Liebe Grüße von Anna(, die wegen eines Routerproblems schon fast Smillas-Blog-Entzugserscheinungen hatte…)

  • rebhuhn sagt:

    das ist lustig *g – kaue und pütt kannte ich auch nicht, aber über 'flöz' habe ich gerade letzte woche zu einem kollegen gesagt, daß 'die heutige jugend' dieses wort ja gar nicht mehr kennen würde 😉 :P.

  • smilla sagt:

    Rebhuhn, ich kenn die Kaue auch bloß, weil wir mal in einer gedreht haben. Das ist schon beeindruckend; in dem Fall war es eine Waschkaue, wo dann all die Klamotten an den Kettenzügen nach oben verfrachtet werden.

    Anna, oh, ja, warst länger nicht da 🙂
    tja, früher war der Bart Anlass zur Sorge, heute wären es vermutlich Tätowierungen oder Piecings die Lehrer zur Warnung veranlassen würden..

  • Klickerklacker sagt:

    da hätte ich gern ein audiofeature von…geht das?

    cooooler Typ!

  • mona lisa sagt:

    Wo sind die Fotos hin? ich sehe nur noch Texte?

  • Uschi sagt:

    …übrigens hübsch auch die Ruhrgebiets-üblicher "Vokuhila"….na….ihr wisst bestimmt, was das ist?!
    Grüße von der Grenze zwischen Pott und Sauerland

  • smilla sagt:

    mona lisa…mmh, hier sind die bilder noch…vielleicht mal deinen cache leeren??

  • MissJanet sagt:

    Vom Vokuhila mal ganz abgesehen, dieser Ausdruck im Gesicht – so sind wir Ruhries. Abgehärtet, vom Leben nicht verwöhnt, aber mit beinhartem Humor, das ist das Wichtigste: der Spruch muß kommen, egal wie.

  • Konzertheld sagt:

    Hehe, der Pott… bei uns könntest du bestimmt auch ne Menge Leute entdecken…

    @rebhuhn "die heutige Jugend" kriegt ja auch ständig eingeredet, dass ruhrpottlerisch Proletensprache und schlecht ist!

  • smilla sagt:

    Konzertheld, dass hat der Wolfgang auch gesagt, dass ich da mal fotografieren soll. Liebäugele mit Duisburg…mal sehen…

  • Nika sagt:

    Dem Wunsch, mal eine Ruhrgebiets-Serie zu sehen, würde ich mich sofort anschliessen.

    Dat is nämmich schon echt prima hier und wir ham' echt'n paar Köppe, dat glaubense nich. Aber Herzen hammwa, gross wiede Halden umme Ecke und leuchtend wiede Kohlenglut.
    Kommse ruhich ma rübba, dat lohnt sich.
    Glück auf, wa.
    🙂

  • smilla sagt:

    Nika, welche Stadt schlägst du denn als erstes vor??

  • Nika sagt:

    Ach, eigentlich sind wir doch sowieso ein einziger Moloch. Ich nehme an, die Ecke Duisburg/Essen/Gelsenkirchen dürfte fototechnisch eine ordentliche Ausbeute garantieren.

    Empfehlen würde ich: Ruhig mal in die alten Eckkneipen trauen. Beim Rentnergedeck ("Pilsken&Schnaps") werden sich da Sonntags Mittags einige Originale finden. Auch "am Büdchen", sprich dem Kiosk an der Strasse, dürften sich eine Menge Geschichten und Gesichter finden lassen. Oder mal durch einige der alten Zechensiedlungen schlendern (die sind zum Teil auch wirklich noch sehr schön anzusehen)

  • smilla sagt:

    Nika, ich machs wie immer…ich fahr einfach los…und ich Duisburg fang ich an. Hab mal ein halbes Jahr dort gedreht und mag die Stadt sehr gerne..

Schreib mir!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© Smilla Dankert 2019 | Impressum | Datenschutz