Bloß nicht ertappen lassen!

Es sind ja oft die scheinbaren Nebensächlichkeiten, die einen an einem Menschen nachhaltig beeindrucken. Oder auf die man beispielhaft zurückgreift, um ihnen ein Bild zu geben. So eine vermeintlich kleine Begebenheit, ein leicht zu übergehendes Erlebnis hatte ich mit Isabel Bogdan im letzten Sommer.

Ich muss dazu sagen, dass ich Isabel schon ziemlich lange aus dem Netz kenne. Persönlich habe ich sie das erste Mal vor ca. neun Monaten getroffen. Damals war sie mit der Fertigstellung ihres erstes Romans beschäftigt, der in diesem Frühjahr bei KiWi erschienen ist.
Jedenfalls: weil ich beruflich in Hamburg zu tun hatte, habe ich mich im Vorfeld mit einer recht banalen Frage und eher nebenbei an Isabel gewandt: ich wollte in der wenigen freien Zeit gern ein bisschen Klamotten gucken gehen und ich weiß – weil sie in ihrem Blog darüber schrieb – dass Isabel mit viel Sinn und Verstand ihre Lieblingsläden auswählt.
Naja, … wie es dann manchmal so ist: sie brauchte gerade Fotos für ihr neues Buch. So haben wir vereinbart, dass wir uns am Tag nach meinem Job in Hamburg treffen um uns kennenzulernen, um Pläne und auch um ein paar Probefotos zu machen.

Kein Probenfoto: Frau Bogdan entert den See

Am Abend vor unserer Verabredung habe ich beim „Picknick mit Vergnügen“ im Schanzenpark fotografiert. Davon wusste Isa (merkt ihr was – ich werde zunehmend vertraulicher in der Namensgebung) aber nichts. Doch in der echten Welt gilt ja: sie ist eine kleine. Irgendwie war ein Freund meines Kölner Auftraggebers auch auf diesem Picknick und der wohnte (im Film erschiene das nun übertrieben) seit einer Weile im selben Haus wie Frau Bogdan (Rückwärtsloop in die Höflichkeits-Form). Wie nun der genaue Austausch der Informationen zustande kam; ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hat besagter Freund (oder ich selbst?) der Frau Bogdan offenbar irgendwas gesmst und sie hat kombiniert, dass ihr neuer Nachbar und ich mich auf der gleichen Veranstaltung befinden.
Etwas mühsam erzählt? Jetzt kommts: die Isa, also die Frau Bogdan, also die hat sich dann jedenfalls ungeachtet der sich auf ihrem Schreibtisch stapelnden Arbeitsberge und einer nicht zu unterschätzenden Zahl S- oder U-Bahn-Stationen mit Umsteigen auf den Weg gemacht. Um schon mal „Hallo“ zu sagen.

Während ich mit der Kamera um picknickende, hippe, junge Menschen herumgeschlichen bin, die mich vermutlich alle gesiezt hätten, kam plötzlich eine große, blonde Frau auf mich zu. Und wie sie kam: mit einer bedingungslosen Herzlichkeit, das werde ich nie vergessen. Das hat mich umgehauen. Ich fand das einfach un!heim!lich nett. Natürlich hat meine zurückhaltende Art verhindert, dass sie davon etwas hätte bemerken können. Am nächsten Tag wären wir ja ohnehin verabredet gewesen, dachte ich verlegen. Aber nein, Frau Bogdan hat sich schon am Abend vorher zum Guten Tag sagen auf den Weg gemacht. Keine große Sache? Kann man so sehen. Aber gerade diese leichtfüßig-verbindliche,  gutgelaunte Freundlichkeit, die nicht Komplikationen sondern Möglichkeiten sieht, das beschreibt für mich Frau Bogdan. Isabel Bogdan!


Wir haben uns dann ein zweites Mal getroffen: um ‚richtig‘ Fotos zu machen: hier eins der offiziellen Pressefotos

Noch ein Wort zu ihrem Buch? Es heißt „Der Pfau“. Tolle Rezensionen gibt es hier! und hier.
Ich persönlich finde ja nicht, dass es darin um einen Pfau geht. In Marlen Haushofers (immer wieder lesenswertem) Roman „Die Wand“ geht es ja auch nicht um eine Wand.

Im „Pfau“, dessen Titelheld als verbindendes Element zwischen verschiedensten Menschen zu verstehen ist, geht es um eine der grundlegend alltäglichen menschlichen Nöte des Lebens: sich bloß nicht ertappen lassen. Alles daran zu setzen, dass die großen und kleinen Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten, die persönlichen Leerstellen unentdeckt bleiben. Vor allem vom unmittelbaren Gegenüber. Zum Beispiel von einer herzlichen Autorin, die auf einen zugelaufen kommt. So ungebremst freundlich, dass man selbst vor Freude ganz beschämt ist und sich alle Mühe gibt, dabei nicht entdeckt zu werden.
Derlei Situationen kennt jeder, da bin ich sicher. Bei Frau Bogdan liest sich dieser routinierte Griff zur Alltagsmaske heilsam vergnüglich. Sie beobachtet genau, sie beschreibt und entlarvt die Protagonisten ihres Kammerspiel-Ensembles, das sie im schottischen Hochland ausgesetzt hat. Aber sie richtet nicht über sie: „…weil man beim Schreiben die Personen ja alle von innen sieht – in dem Moment geht die Beurteilung weg.“
Beim Lesen packt man sich – nun doch ertappt – bestens unterhalten immer wieder an die eigene Nase.


Ein offizieller ‚outtake‘. So sieht das aus, wenn der Frau Bogdan kalt ist.

11.03.2016

7 Comments

Schreibe einen Kommentar zu Müllerin Art Abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© Smilla Dankert 2019 | Impressum | Datenschutz