Alex

So richtig schön finden ihn offenbar die wenigsten: den Alexanderplatz.  Die einen bemängeln die alten, die anderen die neuen, zur Sünde gekürten architekto­nischen Bauwerke.
Mich hat er gestern gerufen, der Alex. Aus keinem bestimmten Grund und ohne irgend­eine Absicht, außer der, mich zu zerstreuen, bin ich ihn besuchen gegangen. Nicht dass er oder jemand sonst  davon Notiz genommen hätte. Aber wie ich so über ihn hinweglief, über den Platz, da kam mir folgender Satz in den Sinn: „Es ist ja wirklich beruhigend hässlich hier.“ Und auch wenn das verwundern mag; ich meine es im besten Sinne. Die monströs gereihte Betoneinfalt ist planvoll  misslungen. Aber sie wimmelt von Menschen und ist von einer aufrichtigen Hässlichkeit, die groß­zügig und nonchalant den Charme des Schönen zu verbreiten versteht. Das rechne ich ihm hoch an, dem Alex, und verneige mich mit dieser Fotoreihe vor des Platzes Stolz und Würde.
Dass vor dem Haus des Reisens nun Palmen wedeln, die ebensowenig ihr Versprechen einzulösen vermögen wie ehemals das Haus des Reisens selbst, das zeugt von Haltung und Humor.

Weiter gehts, bitte hier entlang…

Obviously there aren’t too many people who think the Alexanderplatz is beautiful. Some critizise the old, some critizise the new buildings, which both are always labeled as architectural sins.
Yesterday the Alex called for me quietly.  For no special reason, having no purpose in mind than to take my mind off things, I went there to pay him a visit. Neither the Alex nor anybody else took notice of my visit of course. But when I passed the Square suddenly these words crossed my mind: „Well, it is reassuringly ugly around here.“ And even if this probably sounds weired, I mean it in the best sense. The monstrous sea of concrete is unsuccessful in a well organized way. But the square is full of people and it is of an honest ugliness which is able to radiate beauty at the same time; nonchalantly and with generousness. I give great credit to the Alex for this, and so my todays photo series is ment as a bow to the squares pride and dignity.
In front of the formerly House of travelling are palms placed now, which aren’t able to keep their  promise, as well as the house of travel didn’t before. But anyway this tells of humour and attitude somehow.

Read more, please follow…

Straßenbahnen fahren seit 1998 wieder über den Alex, jeden Tag 850 Stück. Aber bereits 1847 war hier so viel los, dass im Viertelstundentakt Pferdeomnibusse in Rich­tung Potsdamerplatz fuhren. (schreibt Wikipedia)
The tramways are crossing the Square again since 1998; 850 per day. But back in 1847 the traffic was quite busy yet: each 15 minutes horse-pulled-busses were de­parting to Potsdamer Platz.

This ain’t California heißt ein Film, der die Skateboardszene der DDR ins Bild setzt, und kürzlich auf der Berlinale lief. Der Tagesspiegel hat ihm eine Lieberserklärung geschrieben und hier gibt’s den Trailer.
This ain’t California is the title of a film about the skater scene of GDR which was presented at the Berlinale lately. Here you can watch the german trailer; the film combines fiction and archival footage.

„Die vielgeschossige Bauweise ist wirt­schaftlicher als die ein- oder zweige­schossige. Sie entspricht auch dem Cha­rakter der Großstadt.“ So lautet Punkt 13 der 16 Grundsätze des Städtebaus, die als Maßgabe in der DDR ebenjenen geprägt haben.
Punkt 12 beginnt so: „Die Stadt in einen Garten zu verwandeln ist unmöglich. Selbst­verständlich muss für ausreichende Begrünung gesorgt werden.“
„The multi-level coverage type is more economic than the single- or two-floor construction. Furthermore it is in line with the character of a major city.“ This is article 13 of „16 principles of cityplanning“ which was according to the soviet and socialistic ideology back in the 1950s.
Article 12 begins like this: „It’s impossible to turn a city in to a garden. Of course adequate greening needs to be provided.“

Den Charme der Plattenbauten hat sich Thorsten Schmitz für seinen Artikel „Die Plattenfänger“ in der SZ von kundigen Menschen erklären lassen; ihren Bewohn­ern. Allerdings kommen nur welche zu Wort, die mit entweder mit Geld, oder Kunst oder Designerbrille charakterisiert werden. Oder mit einer Mischung aus allem.
Formerly disliked and unpopular the industrialized apartment blocks, called plattenbau, became quite famous in the meantime. A lot of so called hipsters are living there, artists, architects, designer and so on. I wonder how man ’natives‘ are still living there.

Genau genommen zeigt weder dieses noch das nächte Bild den Alexanderplatz.
Vielmehr zeigen sie, was man von dort aus sieht. Auch der Fernsehturm steht nicht direkt am Alex, sondern nur in der Nähe. Für mich persönlich prägen aber all diese Gebäude den Platz, sie wirken in ihn hi­nein, lehnen sich an ihn an. Da nehm ich es mal nicht so genau mit der bürokratischen Verwaltungszugehörigkeit.
In the strict sense this and the following picture doesn’t show the Alexander Square. But they show what you can see while standing on it. Also the TV tower isn’t located at the Alex, but quite close to it. To my mind all these buildings have a strong impact to the place, they are affecting it, they lean on it. So I’m not too particular about the correct maps.

„Ich bin die Königin vom Alex“ ruft die junge Frau, nachdem sie den Brunnen der Völkerfreundschaft erklommen hat. 
„I am the queen of  the Alex“ this young women called out after climbing the fountain of friendship between nations. 

Ein 125 m hohes Hotel dient dem 368 m hohen Fernsehturm als Spiegel.
A hotel of 125 m height serves the 368 m high TV tower as a mirror.

Ich bin geblieben bis es dunkel war; der Gemüsemann noch länger.
I stayed until it was getting dark, the greengrocer man even longer.

Bereits am Abend zuvor habe ich dieses Bild gemacht. Vielleicht hat er mich da schon leise gerufen, der Alex.
I took this photo the night before already. Maybe the Alex then started to allure me in a subtle way, yet.

14 Comments

  • Sabine sagt:

    wunderbare Lieserklärung an einen häßlichen Platz mit viel Flair! schöne Frühlingsgrüße aus der Eifel

  • Super-super-super-tolle Fotos!

  • tanïa sagt:

    Meine Güte…Du machst noch in der hässlichsten Umgebung die schönsten Fotos! ;o)

  • mo jour sagt:

    oh was war ich da früher oft …. tolle fotos, feiner text liebe smilla.
    mir fiel sofort der alexanderplatz von alfred döblin dazu ein. da gibt es eine besondere textstelle, wie der verkehr geregelt wird: "…. der Osten ergießt sich Westen, der Westen nach Osten … dann schaltet sich das Exemplar selbsttätig um: Der Norden ergießt sich nach Süden, der Süden nach Norden."
    eine sehr zeitlose beschreibung, finde ich!

    einen frohen frühling wünsch ich dir!

  • Birgitt sagt:

    …"Schön ist tatsächlich alles, was man liebevoll betrachtet." sagt der Dalai Lama…
    und bei deinen Fotos, liebe Smilla, zeigt sich mal wieder, wie recht er hat…
    ich denke auch, dass gerade beim Alex die Menschen die Stimmung machen und die Architektur vergessen lassen…

    ein schöner Beitrag,
    lieber Gruß von Birgitt

  • smilla sagt:

    ach danke an alle 🙂 ich freu mich!

    mojour, ja, döblin…ob ich mal reinlesen soll? vielleicht packt es mich ja?

  • Klickerklacker sagt:

    Du schreibst:

    Aber wie ich so über ihn hinweglief, über den Platz, da kam mir folgender Satz in den Sinn: "Es ist ja wirklich beruhigend hässlich hier."

    und ich lass das und den ganzen wunderbaren Rest und dann die Fotos und musste an ein Lied von Caspar denken, hier bei Inas Nacht:

    http://youtu.be/JAkSmw8OOlI

    Doch wenn schon scheiße Tanzen dann so,
    dass die ganze Welt es sieht.
    Mit Armen in der Luft, beiden Beinen leicht neben dem Beat.
    Und wenn du mit der Königin die Fläche verlässt,
    sag dir, diese Welt ist perfekt
    Perfekt!

  • Frau P sagt:

    Das ist ein toller Beitrag. Danke. Habe gestern mit einem Plattenbewohner vom Alex über die Vorzüge geredet: Und ich muss sagen, deine Bilder fangen das wunderbar ein.
    Hier noch ein Tip: http://www.jeder-qm-du.de/
    Über den Spass an der Platte.
    Liebe Grüße aus dem 4. OG

  • mirikwidi sagt:

    Das ist ja glaub ich sowieso das Schöne an Berlin überhaupt, dass es an vielen Stellen so sympatisch unperfekt und unfertig ist und so viel Raum für Entwicklung und Kreativität hat …

  • So ich schreibe meinen Beitrag im Vorfeld bevor ich die Fotos und den Beitrag näher gesehen habe. Ich brauche das jetzt, denn dies ist ein Ort wo ich mich Erden kann, dafür meinen Dank!!!!

    Gruß Frank, der jetzt lesen geht!

  • smilla sagt:

    Klickerklacker, danke! schön!

    Casper bei Inas Nacht

    Frau P, toller Tip!! danke
    hier der link zum anklicken:

    Jeder qm du – Wohnsinn in der Platte

    Frank, meinst du nun den Alex oder diesen Blog, wenn ich mal so unbescheiden fragen darf? 🙂
    Mich hat übrigens der Alex geerdet, und ich hab das auch gebraucht in dem Moment. Sehr sogar.

  • Jürgen sagt:

    Schöne Bilder und die Gedanken dazu treffen ins Schwarze, der Alex hat was, trotz aller Hässlichkeit.

    Hab hier auch noch ein selbstgemachtes Bild
    http://img6.imagebanana.com/img/px1ql2s2/alex01.jpg

    SG
    Jürgen

  • smilla sagt:

    Jürgen, danke

    hier dein Bild: schön!
    Alexanderplatz

  • sylvia sagt:

    ha – das ist ja prima! da komm ich grad her und ich find den platz auch soooooooo faszinierend, was ist schon "hässlich" –
    da ist doch wirklich das volle leben. nachts fuhren wir mit der tram in unser quartier und davor gabs so 'ne kleine bude, pinkblaugrünlila angestrahlt und das ding wackelte fast vor lauter feierei:-))). und auch tagsüber ists doch herrlich, breakdancer, musiker, nette schräge leute… danke smilla!
    sylvia

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