50 ccm, 3l Vernel-Tank

Zuerst sehe ich das Moped; es steht an der Küstenpromenade in Arnavutköy und sieht aus wie ein umgebautes Bonanza-Fahrrad. Chopper-Lenker, Doppelspiegel, Fransen-Pompons, chices blaues Täschchen, aus dem irgendein Werkzeug hervorguckt. Ich mache ein Foto und sehe mich um, wem das tolle Gefährt wohl gehören mag. Da kommt Orhan auch schon herbei gelaufen, macht Zeichen, dass es seins ist und lädt mich ein, mich mal drauf zu setzen. Mir fehlt die Abenteuerlust, aber ich bitte ihn ein paar Fotos machen zu dürfen. Sofort wirft sich Orhan in Pose und begutachtet direkt das erste Foto: nein, viel zu weit weg, ich soll ein näheres machen. Natürlich erfülle ich seinen Wunsch umgehend, er reckt den Daumen hoch und will auch dieses Foto sofort sehen: schon besser.

 

Nun holt Orhan aus der kleinen, blauen Werkzeugtasche eine Anlasserschnur hervor, und erklärt wort- und gestenreich, wie und aus was er sich sein Moped zusammengeschraubt hat. Ich verstehe natürlich kein Wort, aber Orhans Begeisterung und unerschrockener Bastelmut vermittelt sich mir einwandfrei. Er steckt das Kabel ein, wirft den Motor an – ich tippe auf Rasenmäher als Ursprungsbestimmung – und wo die Kiste nun so fröhlich vor sich hinrasselt soll ich auch sehen, wie toll es sich damit fahren lässt.
Orhan braust die Promenade entlang, hoch und runter, und ich mache Fotos. Jeder was ihm am meisten Spaß macht eben. Inzwischen sind wir umringt von Orhans Angel-Kumpanen und es kommt Stimmung auf.

Natürlich braucht sein Moped Benzin, deswegen hat er, keine Ahnung wie, eine Vernel-Flasche als Tank umgebaut. Orhan vereint offenbar allerlei nützliche Eigenschaften in sich: Erfindungsreichtum, Sinn für Gestaltung, Spielfreude, Frohsinn und sicher noch einige mehr, ich kenne ihn ja erst sein wenigen Minuten.

Schließlich verabschiede ich mich von ihm und allen Umstehenden, es war ein toller Spaß.
Ich laufe weiter am Ufer entlang und schon bald holt mich Orhan auf seinem Moped ein: er lebt in einem Stadtteil etwas weiter südlich; in Ortaköy. Da ist sein Haus – mit den Händen faltet er ein Dach. Orhan lädt mich zum Essen ein, und als ich so höflich wie nur möglich seine Einladung ablehne versichert er mir, dass er auch Kinder hat. Tatsächlich wäre ich neugierig zu sehen wie Orhan lebt, und die strenge Stimme in mir tadelt meinen mangelnden Unternehmungsgeist. Trotzdem; wir verabschieden uns und in weiten Schlangenlinien braust Orhan davon. Wie Dennis Hopper in Easy Rider, nur nicht so berühmt.

 

 

 

 

 

2 Comments

  • Anna sagt:

    Der heimliche Star dieses Posts (das Moped) sollte unbedingt in den Post über "Gefährten" – auf den ich noch immer hoffe! 😉

  • a.melly sagt:

    was für ein herrlicher bericht! kann ich mir bildlich richtig gut vorstellen, macht sofort gute laune!
    danke sagt dornroeschen

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