Manchmal wünschte ich, ich wäre wahnsinnig gebildet, so dass ich mein umfangreiches Wissen nicht nur in jeweiligen Zusammenhängen verwenden und Schlüsse daraus ziehen, sondern auch mit Leichtigkeit weitergeben könnte. So ist es aber nicht, das ist mir auch nicht erst seit eben klar.
Ich weiß, weil ich es irgendwo zerstreut gelesen habe, dass es mit den Farben, die im architektonischen Gesamtkonzept der Insel Helgoland (von dem ich auch irgendwo gelesen habe) verwendet wurden und werden, etwas auf sich hat. Bei Herrn Buddenbohm lese ich, das Farbkonzept sei erdacht von Georg Wellhausen, meine eigene Investigativrecherche hat ergeben, dass der Künstler Johannes Ufer sich die Mühe gemacht hat, einen Generalfarbplan zu erstellen. Was stimmt nun mehr?
Am 18. April 1947, also nach Kriegsende, wurde die Insel Opfer einer gigantischen Sprengung der Briten, bei der so ziemlich alles von Menschenhand erschaffene zerstört wurde.
Es folgten (stark abgekürzt) mühsame Jahre der Bombenräumung und des Wiederaufbaus. Die Welt schreibt hier, dass der Architekt Georg Wellhausen bei der Konzeption des ‚einmaligen Architekturensembles‘ (Spiegel) auf jede Art der Rekonstruktion verzichtet hat. Das habe ich woanders auch schon anders gehört, sonderlich fundiert ist mein Geschreibsel hier also nicht; Bücher zum Thema habe ich nicht bestellt, Zeitzeugen nicht befragt, Bibliotheken nicht aufgesucht. Studiert hab ich sowieso nie und mit der Kommasetzung hapert es auch immer noch.
Nun könnte ich ja mein Unwissen einfach verschweigen oder verbergen oder geschickt umschiffen. Dass ich das nicht tue, sondern es sogar ausdrücklich dazuschreibe, hat folgenden Grund: wie ich an anderer Stelle schon schrieb, mache ich mir das Bloggen seit geraumer Weile sehr schwer. Da baue ich zuweilen einen Anspruch an mich und die zu schreibenden Beiträge auf, dass ich mich in meiner freien Zeit mutlos stattdessen lieber der Jahressteuer zuwende. Ich denke das veranschaulicht mein Dilemma ganz treffend.
Nun, die blogtherapeutische Gegenmaßnahme, die ich mir selbst verordnet habe, hat viel mit dem Thema Gegenwärtigkeit zu tun. Schreiben was ist.
Gegenwärtigkeit und Geistesgegenwart sind übrigens immer Grundvoraussetzung für meine Begegnungen mit den Menschen gewesen, die ich hier im Blog portraitiert habe (und hoffentlich wieder portraitieren werde). Man kann da gar nicht gegenwärtig genug sein, das habe ich bei meinen inneren kritischen Résumés der einzelnen Begegnungen immer wieder festgestellt. Sich nie verstellen, nie klüger tun als man ist, auch vermeintlich dumme Fragen aussprechen und wirklich offen zuhören, ohne das Gesagte auf die Bestätigung eigener, fertiger Bilder abzugrasen. Klingt ganz einfach eigentlich.
So gesehen kann ein Mangel an Wissen auch hilfreich sein; man kann so viele Fragen stellen. Andererseits hilft Wissen enorm, um noch tiefergehende Fragen zu stellen oder Widersprüche anzusprechen, die zu diskutieren sehr bereichernd sein kann. Es ist kompliziert. Letztendlich aber ist es ja so: Es ist wie es ist. Wenn ich also auf Helgoland herumlaufe und Häuser und Erbautes fotografiere, dann entgeht mir sicher einiges, weil ich es aus Unwissen nicht erkenne. Deswegen kann ich ja nun nicht im Hotel sitzen bleiben.
Ich gehöre zur Lerngruppe ‚Sehen, Machen, Fühlen‘. Alles erlebte kann ich mir gut merken, auch lange. Gelesenes, und mag es noch so interessant sein, vergesse ich, sobald es nicht durch praktischen Bezug Atem eingehaucht bekommt. Vorausgesetzt, ich verstehe überhaupt was ich lese, das ist keineswegs immer der Fall.
Anders formuliert: Ich bin nicht dumm, ich weiß nur nicht so viel. Wichtiger Unterschied.
Die Farben Helgolands, also die der Insel selbst und die farblichen Ergänzungen durch Menschen, sind jedenfalls sehr besonders und für mein Empfinden auch sehr schön. Ich hab es gerne bunt, und das meiste auf Helgoland ist von wunderschön unbunter Buntheit. Jede Farbe wirkt stimmig, auch in ihrem Kontext. Es ist sozusagen eindeutig, aber unaufdringlich bunt auf Helgoland. Ich mag das.
Am buntesten, so habe ich gelesen, seien die Hummerbuden, derer der Inselbesucher gleich nach Verlassen des Schiffes ansichtig wird. Das war mir so nicht aufgefallen, und ich kann es auch nicht zweifelsfrei bestätigen. Natürlich habe ich, nach der Erlangung des gelesenen Wissens, mit prüfendem Blick die Insel betrachtet; dabei habe ich noch viele andere Bauten mit klaren, eher wachen als müden Farben entdeckt. Aber wenn es irgendwo steht, denke ich, ist vermutlich was dran, und so laufe ich nun mit einer weiteren Unklarheit durchs Leben. Das ist auch nicht immer leicht auszuhalten, diese fortwährende Anhäufung immer neuer uneindeutig zu verifizierender Wahrheiten und Sachverhalte im Leben.
Vermutlich ist genau das die wahre Herausforderung, die zu bewältigen ein jeder in der Verantwortung steht: Anzuerkennen, dass vieles nicht nach Schema, schon gar nicht dem eigenen oder präferierten, zu erfassen ist; anzuerkennen, dass die Welt voller Widersprüche mit der ihnen inne wohnenden Daseinsberechtigung ist. Einfache Wahrheiten sind selten. Und Wissen ist nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss. Angesichts der politischen Weltlage ist ist das mit den Farben ja letztlich leichtes Gepäck.
Nun soll es gut sein mit der Küchenphilosophie. Auf den folgenden Fotos sind Farben und Formen zu sehen, Menschen (mal wieder) nicht, und so richtig einladend mögen selbst die ausdrücklich für Besucher gedachten Orte, wie die Konzertmuschel beispielsweise, auf den Bildern auch nicht wirken. Es handelt sich um Januar Fotos, da ist Nach-Neben-Vor oder gar keine Saison – ich weiß es nicht, schön leer war es jedenfalls allüberall.
Viel Freude mit den Fotos!
Durch einen Link von Herzdame zu Ihnen beschäftigte ich mich sofort sehr angeregt mit Ihrem Blogbeitrag. Helgoland lernte ich erstmalig in den 1960ziger Jahre besuchsweise kennen. Im Verlauf der Folgejahre noch ein paar mal aber nun schon längere Zeit nicht mehr. Deher sprachen mich Ihre Bilder fern jeglicher touristischer Trampelpfade sehr an.
Zum Textbeitrag, welcher mich auch sehr ansprach zwei Anmerkungen: die zeitliche Anwesenheit an einem Bildungsträger gibt noch lange nicht Auskunft über die Bildung des Teilnehmers; die Schönheit der deutschen Sprache zeigt auch auf gescheit – gescheiter – gescheitert.
Danke für die beim Lesen durchaus mundende Küchenphilosophie! (Ich fürchte, das klingt zynisch, obwohl es nicht so gedacht ist!?!) Zum Thema Wissen und Dummheit oder Nicht-Dummheit würde mich ein Interview mit schwarzen Schafen vor gelbem Hintergrund interessieren! Mit Basketball in der Hand würde ich mich im Industriegebiet-Bild sicher wohlfühlen und an alte Zeiten zurück denken… Ansonsten ist mir das 10. Bild von oben das liebste!
So. Erstmal möchte ich sagen, dass Du mal wieder den Blick hattest. Deine Fotos sind wunderbar und spiegeln so wiede, was Du geschrieben hast über die" die Stühle stehen auf den Tischen" -Atmosphäre.
Wie ist es mit der Bildung und dem Wissen? Du schreibst bescheiden und klug über den Nutzen des Wissens. Tiefer und breiter diskutieren zu können ist bestimmt eine wunderbare Nebenwirkung von Bildung. Vorausgesetzt, das Gegenüber ist da in etwa auf dem gleichen Stand.
Andererseits lässt mich Wissen und Bildung ohne Herzensbildung kalt. Auch da gibt es ja genug Menschen, die man kennt, persönlich oder z.B. aus gegenwärtiger unguter zeitgeistig brauner Politszenerie.
Ich mag gerne das Beispiel von der Betrachtung eines Baumes. Wie das Kind ihn sieht, wie der Biologe, wie der Chemiker, wie der Botaniker und wie der Dichter, wie der Eilige, wie der Romantiker, wie der Vermessungstechniker und wie der Künstler, wie der Europäer und wie der Asiate, der Vogel wie das Eichhörnchen, der Holzhändler wie der Eremit….
Alle mit ihrem Wissen und Unwissen, ihrer Intention und ihrem Gefühlsleben. Und trotzdem wird die Summe all dessen nicht die Wesenheit und Beschaffenheit des Baumes auch nur annähernd erfassen.
Ich lese Deine Texte furchtbar gerne und finde sie ausnehmend klug. Grade weil sie Platz lassen für das geheimnisvolle und unsagbare.
So sei bedankt und gegrüßt vom anderen Ende der Welt, das ich grade bereise und wo die Stühle grad nicht auf den Tischen stehen, außer, die Küchen in den Hostels werden geputzt…:-)
Lieben Lisagruss!
Liebe Lisa, vielen Dank für deine netten Worte! Und eine schöne Zeit am anderen Ende der Welt!
Sehr ansprechende Fotos.
Irgendwann fahre ich vielleicht doch wieder auf die Hochseeinsel. Wenn das "ausbooten" – wie Du mir geschrieben hast – nicht mehr nötig ist.
LG
Oona
Einfach schön, nach Langem wieder Neues auf diesem Deinem besonderen Blog zu sehen und zu lesen! Also bitte, bitte nicht auch "anders anziehen" schließen! Grüße aus München von Heike!
Dein "Blick zur Düne" suggeriert mir den Einstieg in den schönsten Swimmingpool von Welt und der Baum hinter der Fahne machte mich seufzen… – Die Crossover sieht im Profil so richtig Comic-schnittig aus und hat mir "TUHT-TUUUHHT" in den Kopf geweht. Und das alles ganz ohne Pathos. Schön.