Tango

Seit 50 Jahren ist Karl Ernst selbstständiger Kfz Mechaniker. Seit gut 25 Jahren ist er mit seiner Werkstatt in Köln-Ehrenfeld zuhause. Eigentlich will er gerade mit dem Fahrrad los, um ein Ersatzteil zu holen, als ich ihn anspreche, aber er nimmt sich ein wenig Zeit für mich.  Karl Ernst ist 75 Jahre alt, er hat 4 Kinder und ist dreifacher Ur-Opa. Die Werkstatt führt er gemeinsam mit seinem Sohn: „Wir sind ein kleiner Familienbetrieb.“ Er hängt an sei- ner Arbeit und auch an Ehrenfeld; alle seine Kinder sind hier groß geworden und er hat mitbekommen wie sich das Viertel im Laufe der Jahrzenhnte verändert hat: „Früher war es kölscher hier, dann sind mehr und mehr Ausländer hergezogen, viele Türken. Damals hatte ich auch viele türkische Kunden; die Alten sind zu mir gekommen. Die jungen kommen heute nicht mehr so; die haben ihre eigenen Werkstätten.“ Karl Ernst kennt seine Nachbarschaft, und sie kennt ihn: 2 Häuser weiter wohnt eine Weltmeisterin, erzählt er mir: „Triathlon, oder so.“ An der Ecke war mal ein argentinisches Lokal: „Der hat es aber nicht geschafft.“ Das ist schade, denn Herr Ernst liebt Tango: „Ich bin dem Tango quasi verfallen.“ Regelmäßig geht er tanzen, auch heute abend noch: „Ich hatte mal einen Kunden, der hat mir davon erzählt. Mit dem war ich auch ein bisschen befreundet, und da hab ich ihn gefragt, ob ich nicht mal mitgehen kann.“

 

Herr Ernst macht extra das große Tor für mich auf. Die Deutschlandfahne habe ich irgendwann schon mal fotografiert und heute gibt’s die Geschichte dazu: „Da hat irgendwer was an unser Tor gesprüht; na, und als die WM im Sommer war haben wir dann einfach die Fahne oben drüber gesprüht.

Am 10.10.10 hatte Karl Ernst mit seiner Werkstatt 50jähriges Jubiläum. „Beim 25. haben wir noch groß gefeiert und der Alfa hier war damals auch angemeldet; gehört meinem Sohn.“ Viele der Kunden von Karl Ernst kommen aus der Nachbarschaft, aber nur von der Nachbarschaft könnte er nicht leben.
„Bevor ich die Werkstatt übernommen habe war hier ein Kuhstall drin. Von hier sind die Kühe dann rüber in den Schlacht- hof getrieben worden.“ Er erzählt wie er damals den ganzen Boden neu aufgebaut hat, weil der Stallboden ein Gefälle hatte. Das Chaos damals hat ihm aber wenig ausgemacht: „Am wichtigsten ist Zufrie- denheit. Natürlich auch, dass man ein Auskommen hat, aber wenn man in sich zufrieden ist, dann ist alles andere halb so wild.“

20 Comments

  • Anonym sagt:

    Tango? Genial! Ich liebe diese Fotoserie… vermutlich, weil ich gerne gucke, wie Menschen leben und arbeiten…

    neugierspinsel

  • Anna sagt:

    "Trainingsanzug" war ein bescheuertes Wort von mir! Sorry!

  • rebhuhn sagt:

    großartig – mit dem fahrrad in der montur vor der flagge sieht er aus wie einem alten siegerfoto der 6oer entsprungen. 'radrennen oder sowas…' :D.

  • Anonym sagt:

    Hallo,

    dein Blog ist klasse, aber bitte vermeide doch die manuellen Trennungen zwischen den Wörtern, da dies wahrscheinlich nur in Deinem Browser schön aussieht – allerdings bei geänderter Schriftgröße oder in einem RSS-Reader nicht. Manuelle Trennungen funktionieren im Internet grundsätzlich nicht.

    http://qkpic.com/18704

  • Anna sagt:

    Ich bin ja echt ein Fußball-Muffel, aber die Fahne glaubte ich gleich wiederzuerkennen – und richtig! Schöne Idee, das andere Gesprühte am Tor anlässlich der WM einfach mit der Fahne überzusprühen. Und dann die Zusammenstellung dieses Fotos – es passt einfach alles: das rote Fahrrad zum Rot im Trainingsanzug und zum Rot der Fahne; das Grün des Trainingsanzugs zum – noch sichtbaren – Grün unter dem gelben Teil der Fahne; das Schwarz der Fahne zu den schwarzen Schuhen. Grandios! – Ebenso grandios, als KFZ-Mechaniker mit dem FAHRRAD ein Ersatzteil zu holen! Auch wenn er und sein Sohn/seine Familie es nun offenbar nicht mehr so groß gefeiert haben/feiern konnten (?): Meinen herzlichsten Glückwunsch zum 50-jährigen Werkstatt-Jubiläum, Herr Ernst & Sohn!
    Und dann tanzt er auch noch Tango! Bei Tango muss ich immer sofort an eine Postkarte denken, die früher zu Hause an meiner Zimmertür hing: Eine Frau sitzt auf dem Schoß einer zweiten Frau. Die Oberkörper beider Frauen sind in dieser typischen Tangohaltung zueinander. Die zweite Frau sitzt in einem Rollstuhl. Das Foto heißt: "Tango zu dritt".

  • Anonym sagt:

    Ich les und schau schon lange mit.
    Heute braucht es einen Kommentar:
    Tango. Wenn ich mit etwas NICHT gerechnet hätte, dann damit.

    Liebe Smilla, herzlichen Dank!
    B.

  • Anonym sagt:

    Irgendwie einfach schön.
    Ich bin ein unheimlicher Fan von Familienbetrieben, auch wenn es nicht immer einfach ist mit der Zusammenarbeit, was ich aus eigener Erfahrung weiß.
    Herr Ernst macht auf mich einen unglaublich sympatischen Eindruck. Er strahlt etwas aus, was vielen Menschen heute fehlt. Ruhe. Bodenständigkeit. Zufriedenheit mit dem, was man hat. Aber vielleicht bringt das erst das Alter mit sich…

    Judith

  • mo jour sagt:

    wie cool ist DAS denn, liebe smilla, dass der herr kfz-mechaniker mit einem ganz minimalistischen ferrariroten fahrrad zum tango fährt?! enäh wat is datt schöön!
    dieses bunte zuversichtliche post ist heute mein calm-downer zur guten nacht. da träum' ich gerne von. merci bien!

  • Kathrin sagt:

    Wieder eine wunderbare Bekanntschaft für uns, vielen Dank!
    Du hast im Sehen, Fotografieren und Schreiben wirklich den Blick und Sinn fürs Wesentliche.
    Ich freue mich immer über Neues von Dir.
    Viele Grüsse
    Kathrin

  • smilla sagt:

    mo jour, das fahrrad idt klasse find ich auch 🙂
    calm-downer – schönes wort..

    Anna, dass er als Kfzmechaniker mit dem Fahrrad losfährt find ich aber nicht so außergewöhnlich; warum denn nicht? …und tango kann man also in (fast) jeder lebenslage tanzen
    guck mal hier:

    Tango im Rollstuhl

    anonym: da sagst du was mit den Trennstrichen. Aber im Blocksatz gibt es die allerschlimmsten Lücken ohne Trennungen, und da ich zweispaltig schreibe sieht linksbündig doof aus, und rechts/linksbündig erst recht.
    Für Ratschläge bin ich extrem dankbar, und dass das im reader so aussieht wie dein link mir zeigt, war mir schon klar. scheint mir aber das kleinste aller übel zu sein, bislang.

    rebhuhn, ich mag auch gerade das Foto sehr gern, und sein Overall fällt bei mir wieder in die Kategorie "I love Berufsbekleidung" besonders wenn sie so gelebt aussieht

  • Margit sagt:

    Hallo Smilla,
    vielen Dank für diesen schönen Text und die tollen Fotos.
    Das Thema Zufriedenheit halte ich für sehr wichtig, werde ich deshalb auch gleich zum Thema meines heutigen Blogbeitrages verwenden. Danke für die Anregung.
    Liebe Grüße, Margit.

  • Anna sagt:

    Liebe Smilla,

    danke für den Link. Dass der Rolli da kein Hinderungsgrund ist, war mir selbstverstandlich schon lange klar – auch ich selbst habe das Tanzen immer weiter perfektioniert und tanze immer noch leidenschaftlich gern; wenn auch meist nur noch auf der Wohnzimmertanzfläche und Freestyle… Klammerblues im Rolli ist übrigens auch sehr lustig… 🙂 – Warum nicht mit dem Fahrrad Ersatzteil holen, weiß ich auch nicht – ich fand's halt toll beim ersten Lesen.

    Liebe Grüße

    Anna

  • tanïa sagt:

    Das ist wirklich mal wieder ein grandioser "Fund"! Auf den ersten Bildern dachte ich spontan, er könnte zum Boxengassenteam von Steve McQueen in diesem Rennfahrerfilm gehören (da bekäme man sicher auch ein schnittiges Fahrrad passend zum Team-Overall)…dann liebt er TANGO (!), janeeklar, liegt ja nahe! Und dann…schiebt er die Garage auf und lässt diese Fahrzeuge erscheinen…ein Alfa! Und ein R4!! Spätestens da bin ich frankophile Oldtimer-Liebhaberin dem Beitrag vollends erlegen! ;o)

  • Isidora sagt:

    Liebe Smilla,

    wie schön deine Bekanntschaften doch immer sind. Unsere Familie hat auch einen Familienbetrieb. Das ist etwas ganzz besonderes, daarbeiten von den Großeltern bis zu den Enkelkindern alle. Die Enkelkinder sind allerdings gerade nicht älter als zwei, die werden nur für den Kundenfang eingesetzt.

    Ich habe gestern noch mit einer guten Freundin gesprochen und ihr gesagt sie solle unbedingt eine Leidenschaft neben ihren Kindern entwickeln, sonst kann man sich selbst so schwer treu und auch bewusst bleiben.
    Meine kleine Tochter (die zweite) ist gerade sieben Wochen alt und ich habe dennoch geschafft tatsächlich sieben Bücher zu verschlingen. Mit dem Tango ist das auch so denke ich, man braucht Leidenschaft im Leben. Es ist halt auch viel zu kurz um auch nur einen Tag mit Tristesse zu verschwenden.

    Dieser Mann da auf dem Foto erinnert mich sehr an meinen Schwiegerpapa, kleiner Popo und dicker Bauch, das finde ich klasse.

    Liebe Grüße,
    Isi

    PS: Sorry für die Gedankensprünge, aber ich hatte nur ein paar Minuten zum Schreiben…

  • smilla sagt:

    isidora; 7 Wochen, 7 Bücher…nicht schlecht 🙂
    auch schön: "Die Enkel werden nur als Kundenfang eingesetzt.." 🙂 kann ich mir prima vorstellen

    taniia, ja, der R4 hat auch mein Herz erwärmt.
    Toller Mann überhaupt.

  • Pippa sagt:

    Such a BEAUTIFUL story, and such beautiful photos – the whole post creates that peacefulness Herr Ernst refers to.

    (And PLEASE don't change the language columns, I don't care how it shows up in a reader, fact is: it helps me a LOT to keep on learning German when I can compare the texts!)

  • Anonym sagt:

    Tolle Photos. Da kann sich einer was "abschneiden" in vieler Hinsicht!!!

  • Mim sagt:

    Wouldn't you love to see him tango!

    Warm regards from Boston

  • smilla sagt:

    Mim, 🙂 yes I would.
    Someone posted on my facebook link that he Mr. Ernst even danced in his garage once, up at the steel girders at the ceiling….
    Once I was at a Salsa Night and I danced with a greek man in his age: I was totally surprised that he was such a great dancer. And I was amazed to discover this dance, and how I was able to dance it through his guidance.

    Pippa, thanks 🙂 I won't change the columns, but I try t figure out how to solve this problem anyway.)
    It helps me a lot to practice my english as well, by the way 🙂

  • Anonym sagt:

    Oooooh das ist ja mein Nachbar. Wie schön, dass du ihn fotografiert hast… Ganz neu für mich:Ich wusste gar nicht, dass die Werkstatt in früheren Zeiten ein Kuhstall war. LG 🙂

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