Stoiker und Seelenfrieden

Maria ist eigentlich aus Lettland, aber gerade für ein Auslandssemester in Mainz. Sie studiert Philosophie und interessiert sich besonders für Ethik und die antiken Philosophen: „Seneca zum Beispiel.“ Ich bitte Maria, mir als Philosophie-Laien zu erklären, was sie an diesem Thema fasziniert. Das ist allerdings gar nicht so einfach für sie, mal eben schnell auf deutsch. Entscheidend ist für sie der Blick auf das große Ganze; die Welt in ihrer Gesamtheit zu sehen. So ist es ihrer Ansicht nach falsch egoistisch zu sein, nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Trotzdem ist es erstrebenswert eine eigene Un­abhängigkeit zu erlangen, im Fühlen und im Denken. Dafür wählt sie ein drastisches Beispiel: „Wenn ich ins Gefängnis komme, dann ist das wichtigste, dass ich selbst weiß ob ich Recht oder Unrecht getan habe. Auch wenn mir damit Unrecht angetan wird, wichtig ist nur mein Urteil, so kann man innerlich frei bleiben.“

Nun habe ich ein wenig recherchiert, und finde diese Aussage über Stoiker -zu denen Seneca zählt (Wiki): „Nur ein lebenslanges Bemühen um Selbstformung, das auch den Herausforderungen von Schicksal und mit­menschlichem Umfeld standhält, schafft Aussicht auf die Seelenruhe des stoischen Weisen. Voraussetzung dafür ist eine ausgeprägte Affektkontrolle, die zur Frei­heit von Leidenschaften (Apathie), zu Selbstgenügsamkeit (Autarkie) und Uner­schütterlichkeit (Ataraxie) führen soll.“ Apathie wird übrigens nicht als passive Teilnahmslosigkeit verstanden, wie es heute üblicherweise der Fall ist, sondern als Gelassenheit. Auch der Begriff ’stoischer Gleichmut‘ ist heutzutage anders besetzt, als es den antiken Stoikern gerecht werden würde. Hier habe ich eine bezeichnende Einschätzung gefunden, wie der Begriff sogar als Schimpfwort dient: „…ein gefühls-und antriebsarmer Mensch.“ Ich selbst reagiere auf empfundenes oder offensichtliches Unrecht (leider) sehr emotional, und so beschäftigt mich Marias stoische Geisteshaltung sehr. Und wenn ich so über das Frauenbild Senecas lese, wären die wiederum sicher gut beraten gewesen, auf stoische Gelassenheit zurückgreifen zu können.
13.12.2010

10 Comments

  • rebhuhn sagt:

    … affektkontrolle. da weiß ich auch immer nicht, ob ich das können möchte. naja, mehr als jetzt auf jeden fall ;).

  • Kimmi sagt:

    Immer wieder interessant, was du aus den Menschen herausholst. ; )

    ▲mazeofillusion▲

  • FeeMail sagt:

    Ob stoisch oder nicht, ich frue mich über ein paar Bilder aus Mainz. Da habe ich 5 1/2 Jahre gelebt und studiert :)!

  • Dersch sagt:

    Ich habe mein Büro am Mainzer Hauptbahnhof, wo diese Fotos entstanden sind. 🙂

  • Anonym sagt:

    Hey,

    ich les hier schon ne ganze Weile rum. Ich finde es immer wieder wundervoll, welche Menschen du aufpickst, in deren Leben und momentanen Zustand man dann einen winzigen Einblick bekommt.

    Nun interessiert mich aber auch, was du gerade in Mainz tust, wo ich studiere. Verrätst dus?

    LG, Distel

  • smilla sagt:

    Distel: ich war ganz kurz nur in Mainz, für einen kleinen kurzen dreh, und darin kommt auch Maria vor, die sich bei aller Irritiertheit über den Kameramann nicht aus der Ruhe bringen lies.
    Das das angewandte stoik ist, ist mir erst hinterher so richtig klar geworden.

    Feemail; oh wie nett, was denn?

    rebhuhn; mir ist die affektkontrolle auch nicht wirklich gegeben, was ich immer wieder bedauere, allerdings merkt man es mir wiederum auch nicht unbedingt an. Affekte leb ich bevorzugt alleine aus, da kann ich so einen afekt auch mal ne stunde aufschieben 🙂

    Dersch, na dann, eins kommt vielleicht noch 🙂

  • carmen sagt:

    in mainz wohne ich auch 🙂 hat es dir denn hier gefallen, smilla?

    schade, dass ich dich nicht getroffen habe. (nicht, damit du mich fotografieren hättest können, sondern: ich hätte liebend gerne mal dabei zugesehen, wie du die leute ansprichst und fotografierst!)

    viele grüße also, aus mainz!

  • smilla sagt:

    also, mehr als die innenstadt ganz oberflächlich habe ich nicht gesehen, leider. Ich kann also nicht wirklich was sagen, außer, dass ich einen schönen Tag dort hatte.
    Und wer weiss, vielleicht hätte ich dich ja doch fotografiert??

  • rebhuhn sagt:

    OT: ach neee… wenn das mal nicht der 'Dersch' is… 😉

  • Anonym sagt:

    "Ich selbst reagiere auf empfundenes oder offensichtliches Unrecht (leider) sehr emotional, und so beschäftigt mich Marias stoische Geisteshaltung sehr. Und wenn ich so über das Frauenbild Senecas lese, wären die wiederum sicher gut beraten gewesen, auf stoische Gelassenheit zurückgreifen zu können."

    Da sind wir sehr ähnlich, liebe Smilla

    Mel

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