Sitzreihe

Zurück aus Istanbul erscheinen mir die Kölner Strassen seltsam leer und nahezu unbelebt. Das liegt natürlich am Vergleich und den noch sehr frischen Eindrücken die in mir nachwirken. Auch lädt das Wetter hier nicht unbedingt zum draußen ver- weilen ein. Allein an den Temperaturen liegt es aber sicher nicht, dass in Istanbul deutlich mehr Leben auf der Strasse statt- findet. Wikipedia verrät, dass sich in Köln im Schnitt ca. 2500 Menschen einen Qua- dratkilometer teilen; knapp 7000 Menschen sind es dagegen in Istanbul. Und die sind spürbar unterwegs; zu Fuß, mit Bus und Fähre, im Auto und im Stau. Es wird aber auch viel gesessen, und in der Regel sind es die Männer die sitzen. Allein, zu zweit, zu vielen; man sitzt so da. Traditionell gibt es in der Türkei eine klare Aufteilung; dem Mann gehört der öffentliche Raum, die Frau hat zuhause die Oberhand. Bei aller Modernität, bzw. Aufweichung dieser Regelung prägen sie doch auch das Bild der Stadt; die sitzenden Männer von Istanbul. Bitte hier entlang…
Back at home from Istanbul the streets of Cologne somehow seem to be emptied and lifeless. This feeling of course is caused by comparing and all those quite fresh impressions which continue to have an effect. Furthermore the weather doesn’t help too much to keep people staying outside. But it’s not only because of the temperatures that so much more life is taking place on the streets of Istanbul. Wikipedia tells, that in Cologne about 2500 people share a square kilometer; almost 7000 people do so in Istanbul. And they are noticeable on the road: by foot, by bus and ferry, by car and stuck in traffic jam. But there is a lot of sitting around as well, and mostly the men are sitting. Alone, two by two or in a crowd; they just sit there. Traditionally the space is clearly splitted; men own the public space, at home women prevail. Concerning all the modern advance and softening of this arrangement they still draw a picture of this city; the sitting men of Istanbul. See more…


20 Comments

  • Andreas sagt:

    Wie, ist die Zeit in Istanbul schon wieder rum? Schade, waren schöne geteilte Eindrücke! Aber auch schön demnäx auch wieder Bilder uss Kölle zu finden 🙂

  • Anonym sagt:

    Und immer hübsch angezogen, die Männer! So mit Hemd (oft sogar weiß) und Stoffhose und ordentlichen Schnürschuhen. Auch die jungen Männer! Wie kommt das nur?

    Tolle Fotos, tolle Berichte bisher. Ich schaue schon seit einem halben Jahr vorbei und ich liebe diesen Blog, Smilla! Sie sind eine tolle, interessante Frau und danke, dass Sie mich an Ihrer Weltsicht teilhaben lassen!
    Liebe Grüße, eva

  • Floh sagt:

    Deine Bilder der sitzenden Männer strahlen so viel Ruhe aus – obwohl wie du recherchiert hast, das traditionelle/religiöse Hintergründe hat. Seltsam was Fotos manchmal für eine Wirkung auf einen haben. Gruß aus Berlin

  • proletkult sagt:

    Eine wirklich tolle Bilderreihe! Und ich sage es nochmal: bei uns in Kosovo sieht es exactement so aus!;-)

  • rebhuhn sagt:

    sehr schee ;)… hast du eigentlich auch 'traditionelle' frauen fotographiert oder darf man das gar nicht?

  • Anna sagt:

    P.S. Wie schön: im Hintergrund des ersten Bildes: "BE MEN"! Hinter dem Laternen(?)pfahl hast Du doch bestimmt einen Buchstaben versteckt, oder? Welchen denn?

  • Anna sagt:

    Schöne Sitte eigentlich! Für mich wäre das außerdem sehr praktisch: Da müsste ich viel weniger zu eigentlich stehenden Menschen "aufschauen" und mir dabei besonders in längeren Gesprächen entweder den Nacken verrenken oder mich und meinen Rolli zwecks angenehmerem Blickwinkel gefühlt aber viel zu weit weg parken…!

    Liebe Grüße in diesem Sinne direkt in Deine Augen hinein, liebe Smilla!

    Anna

  • Nähwahna sagt:

    Hallo,
    wie schön und interessant meine Lieblingsstadt in der ich so einige Jahre leben durfte mal aus einer anderen Sicht zu betrachten. Wenn man dort lebt ist man ja irgendwie ein Teil und alles ist so ganz selbstverständlich.Aber wenn man es dann mal mit den Augen anderer sieht…(-bekommt man auch ein wenig Heimweh und freut sich auf ganz bald)
    Danke für deine schönen Eindrücke.
    Lieber Gruß
    Melanie

  • Anonym sagt:

    Da, da! Ich hab sie gesehen. Bild 6. Da sitzen Frauen im öffentlichen Raum!

    🙂

    Was für eine wunderschöne Serie!

  • Andreas sagt:

    @ Frau Smilla: der Link zur Welt.de (!, zu spät gesehen) Webseite in meinem posting eben kann besser durch den Link zum Original ersetzt werden, wenn das keine große Mühe macht: http://www.beymen.com.tr/html/index.php?action=loader_en
    Herzlichen Gruß, Andreas

  • Andreas sagt:

    @ Anna: BEYMEN heißt wohl der "Luxusshoppingtempel",siehe hier: http://besten.welt.de/Travel/Shopping/Beymen-Istanbul

  • Wunderschöne Momentaufnahmen.

    LG
    Sabine

  • smilla sagt:

    Anna, mal abgesehen von der angenehmen Augenhöhe ist die sitte einfach so zusammen zu sitzen ohnehin eine sehr angenehme wie ir scheint. Ich hab so manches mal dabei gesessen, nachdem ich die Fotos gemacht habe. Natürlich immer als einzige Frau, und hab mich immer sehr willkommen und wohl gefühlt.

    Deswegn, Floh, stimmt das mit der Ruhe auch, das wird ja nicht durch die Hintergründe geschmälert oder verändert. Es gibt auch überall und immer Tee in kleinen Gläsern. Und diese Tee-kultur hat etwas sehr meditatives, ohne das es großartig so benannt oder hervorgehoben würde. Aber einfach so dasitzen, mit nem Tee in der Hand, das ist wichtig und beruhigend, ganz offensichtlich. Allein das hat mir die Stadt schon nahe gebracht. Selbst auf der Fähre rennt einer rum mit nem Tablett voll Teegläser, und für 50 cent kann mann dann die Fahr über den Bosporus mit einem Tee feiern.
    Für mich bedeutet das Glück!

    Nähwahna, wie lange und warum hast d denn dort gelebt?? Da werde ich ja neidisch; könnte mir auch sehr gut vorstellen für eine Weile in Istanbul zu sein.

    Eva, ganz herzlichen Dank für Ihre schönen Worte!!

    nqlb: 🙂 ja, genau, unglaublich was? 🙂

    rebhuhn, Ja Fotos von Frauen hab ich auch gemacht, es folgt eine Reihe in Kürze.

    Andreas, genau richtig geraten;

    Beymen, der Luxus-shopping Tempel

    Dort saß der alte Herr und hat mich ungleich mehr interessiert als all die chicen Prada-Luzies nebenan. Davon gibt es mehrere Filialen, diese hier war auf der Bagdad-strasse auf der asiatischen Seite.

  • Ulli sagt:

    Zum Sitzen der türk. Männer habe ich bei Necla Kelek (Bittersüße Heimat, S. 290) etwas Interessantes gelesen. Sie zitiert aus einer Studie einer amerik. Anthropologin zum Leben in einem anatol. Dorf und daher kommen ja die meisten Istanbuler: "Sie (die Arbeit) gilt nicht als Möglichkeit,etwas über das Leben zu lernen, oder als Bestätigung des Selbst. Der Sinn des Lebens wird nicht mit Begriffen für Arbeit erfasst. Zu sitzen gilt viel mehr als mustergültige menschliche Tätigkeit" "Sitzen heißt auf Türkisch oturmak und damit ist sowohl 'sitzen, genießen', wie auch 'leben, wohnen' gemeint. Dieses Sitzen,…auf jeden Fall Nichtarbeit -scheint der Fixpunkt allen Strebens, das Ziel des Lebens zu sein."
    Im Übrigen: die Fotos, wie immer wunderbar. Man kann Istanbul fast hören und riechen!!

  • Anna sagt:

    @ Andreas & Smilla: Danke für die Aufklärung des Wortes mit dem versteckten Buchstaben!

    Smilla, klar ist die Sitte, einfach so zusammen zu sitzen, ohnehin eine sehr angenehme – und dass Tee, zumal in entspannter Atmosphäre, gleichbedeutend mit Glück sein kann, kann ich nur unterschreiben!

  • smilla sagt:

    Anna, ja und besonders weil es so eingach und unkompliziert überall stattfinden kann, das Tee-Trinken. Da muss man sich nicht erst umständlich eine Riesentasse irgendwas bestellen, und innerlich die Pause rechtfertigen. Sondern man kann so ziemlich überall einfach mal eben nen Tee trinken, und wieder bei sich ankommen.

    Ulli, ganz herzlichen Danke für dieses tolle Zitat; ihr Buch die fremde Braut liegt schon bei mir und ich freu mich drauf es zu lesen. Ich füge deinem Zitat mal eines von Kai Strittmatter an, aus dem Buch "Gebrauchsanweisung für Istanbul" (S41,ff)
    Dort zitiert er zuerst Generalfeldmaschall der preußischen Armee Helmuth von Moltke, der folgendes bei seinem Türkeiaufenthalt 1836-1839 beobachtet hat

    "Eine der wichtigsten Angelegenheiten der ehrlichen Türken ist, was sie Kief etmek, wörtlich Laune machen, nennen, das heisst an einem gemütlichen Ort Kaffee trinken und Tabak rauchen"
    Dann Strittmatter selbst: "Ins Keyf lässt sich fallen, wer dem Alltag das Leben abzuringen versteht. … Kein Anfang und kein Ende, das ist Keyf. Wie ein Zenschüler findet der Istanbuler die meditative Erlösung von Sorge und Mühe in den einfachsten Tätigkeiten. Keyf ist Angeln am Bosporus, ist eine Kartoffel in der Asche des an die Promenade mitgeschleppten Grills, ist der Raki zum Fisch… (…) Keyf ist alles was nicht Arbeit und nicht Zweck ist."

    Außerdem schreibt Strittmatter, dass es im türkischen eigentlich kein Wort für Zeit gibt; die Worte 'zaman' und 'vakit' seien aus dem arabischen importiert. "Fremdwörter. Ja, auch Keyf ist ein arabisches Wort, aber fast scheint es, als hätten die Türken die Araber allein deshalb unterworfen, um sich diesen Schatz anzueignen."

  • Floh sagt:

    Liebe Smilla, das durch das Tee Trinken es noch ruhiger und entspannter wird kann ich mir vorstellen. Ich bin immer froh, wenn ich in Berlin den Tee in diesen kleinen Gläsern bekomme. Ich trinke ihn dann gegen meine sonstigen Gewohnheiten auch Nachts. Das ist eine schöne Sitte und manchmal wünschte ich mir mehr Traditionen und Sitten in Deutschland. Meine Ruhe würde der kulturelle Hintergrund vielleicht schon stören, ich würde mich für kurz willkommen fühlen als Frau, nach einer Zeit jedoch als "störend". Auch würde ich die anderen Frauen vermissen, wobei ich weiß, das ich sie an anderen Orten in ähnlichen gemütlichen Runden treffen würde. Es ist nicht mein Gleichberechtigungs-Sinn sondern mein Gerechtigkeits-Sinn betroffen. 🙂

  • smilla sagt:

    Floh, du hast natürlich recht mit dem was du schreibst. Ich bin ja hier mit den Augen der Kurzbesucherin auf Stippvisite unterwegs; da erwäge ich zwar wie es dauerhaft wäre, bin aber als erstes mal an der Situation interessiert die sich mir zeigt.
    Mit der traditionellen Rolle der Frau in der Türkei habe ich, ähnlich wie du, große Probleme. Auch in diesem Fall des Dazusetzen zeigt es sich ja; das kann ich als beobachtende, interessierte Besucherin vielleicht tun, letztlich aber auch nur auf Einladung oder Aufforderung. Mit meiner kleinen Sitzreihe will ich auch gar nicht traditionell, religiöse Umstände romantisieren die für mein eigenes tägliches Leben undenkbar, im Sinne von akzeptabel wären.
    Allerdings existieren in Istanbul mehrere Parallelwelten nebeneinander. Deswegen war ich quasi immer auch an "meine westliche Welt" angebunden. Sich in Ländern zu bewegen in denen Frauen unterdrückt werden ist für mich persönlich immer eine Herausforderung. Und da bin ich sehr mit dir und deiner Wortwahl; ganz schlicht der Sinn für Gerechtigkeit meldet sich deutlich.
    Nun muss ich aber auch sagen, dass ich in dieser Position als Besucherin einige Male besonders herzlich aufgenommen wurde; in Teerunden oder Sitzrunden oder einmal auch zum Iftar, dem abendlichen Fastenbrechen. Solche Momente stehen aber ja auch unter einem besonderen Stern; da ist Besuch aus einer anderen Welt, und mit dieser ersten Ausnahme sind andere Ausnahmen möglich; da kann sich die fremde Frau dann auch in den Kreis der muslimischen Männer setzen. Eine muslimische Frau würde nicht herbeigerufen, vermutlich, und sie würde sich auch gar nicht dazusetzen.( zudem ziehe ich ja die Aufmerksamkeit mit der Kamera auf mich, die ich auf die anwesende Gruppe richte)
    In der persönlichen Begegnung habe ich deutlich mehr gute als schlechte Erfahrungen gemacht.

  • Floh sagt:

    Liebe Smilla, ich danke Dir für Deine ausführlichen Antworten. Ich bin längst nicht so weit gereist wie Du und so sind meine Kontakte zu anderen Kulturen und Religionen längst nicht so Reichhaltig wie Deine. Trotzdem bin ich ganz Deiner Meinung. Ich finde gut, wenn dich die aktuelle Situation interessiert und du sie so positiv empfindest und ohne "Urteil" bewertest. Man kann in Deinen Beschreibungen und Bildern deutlich lesen, das Du auch die anderen Seiten betrachtest. Danke!

  • smilla sagt:

    Floh, na so weit gereist bin ich nun auch nicht, falls der eindruck entstanden sein sollte.
    Ich bin einfach immer eher dem Moment verhaftet, als der Theorie, und mir erscheint diese Art der Einschätzung für mich persönlich als sehr verläßlich, ich bin nicht so eine gute Theoretikerin, auch wenn sie wichtig ist, die Theorie und das differenzierte Denken.

Schreibe einen Kommentar zu Anonym Abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© Smilla Dankert 2019 | Impressum | Datenschutz