Pfeil- und Fadenbude

Gestern hat mich mein Weg nach Oldenburg geführt und dort bin ich auf dem Lamberti-Markt Herrn Schmidt begegnet. Herr Schmidt ist von Beruf Markt- beschicker; gemeinsam mit seiner Frau betreibt er eine Pfeil-und Fadenbude. Das macht er schon sehr lange, aber bevor er mir verrät seit wann genau muss ich erst mal schätzen wie alt er ist. Ich rate 76, liege aber falsch, denn Herr Schmidt ist 83. Und wo ich schon bei den Zahlen bin kommen gleich noch mehr; seit beinahe 60 Jahren ist er mit seiner Frau verheiratet. 8 Kinder haben sie zur Welt gebracht; 4 Jungen und 4 Mädchen. 10 Enkel und 18 Urenkel sind die bisherige Nachkommen- schaft, aber zumindest die letztgenannte Zahl kann sich ja noch erhöhen. In Herrn Schmidt’s Familie hat das Marktgeschäft eine lange Tradition; schon seine Eltern und Großeltern waren auf dem Markt zuhause. „Und hier auf dem Markt haben auch ein paar meiner Kinder und Enkelkinder ihre Buden.“

Solange er noch kann will Herr Schmidt seine Bude behalten, und seine Frau, die inzwischen 80 ist, ist ganz seiner Meinung: „Wir haben das erlebt; viele die mit 65 aufgehört haben zu arbeiten sind krank geworden.“ Sie sind sich sicher dass es nicht gut ist plötzlich sein Leben so einschneidend zu verändern und sich zur Ruhe zu setzen: „Da sind sie dann allein zuhause und ganz schnell werden sie vergessen und sind allein. Das tut niemandem gut.“ Herr Schmidt liebt das Marktleben: „Ich lese dann immer über den Streit mit der Rente, dass man ein, zwei Jahre länger arbeiten soll. Sie müssen sich mal überlegen; ich bin 83 und zahl immer noch Steuern!“


Früher hatten die Schmidts auch mal ein Fahrgeschäft: „Eine Schiffschaukel. Aber irgendwann wurde das zu anstrengend, da hat einer der Söhne die übernommen.“ Ab Ostern beginnt die Saison, die mit dem Lamberti-Markt endet. Seit 1975 ist Herr Schmidt übrigens auch der Weihnachts- mann hier auf dem Markt. „Sind Sie morgen hier?“ fragt er mich gleich zu Beginn unseres Gespräches. Da hat er nämlich seinen ersten Einsatz; jeden Tag um 16 Uhr kommt er dann mit der Ponykutsche angefahren, mit Musik und Schellengeläut.

Herr Schmidt hat ein Herz für seine jungen Kunden. Immer wieder gibt er Tipps und feuert die Pfeilwerfer an. So manchen mißlungenen Wurf zählt er nicht: „Na, mach noch mal, aber feste musst du werfen, mit Schwung, Junge!“

Als Kind hat mich der bunte Fadenstrang immer etwas verwirrt; irgendwie stand die  kolossale Aufregung was ich wohl  mit meinem sorgfältig ausgewählten Faden hervorholen würde nie so recht im Verhältnis zur vergleichsweisen Aktions- armut. Zumal das Ereignis ja dann doch recht schnell vorüber war. Heute zieht man übrigens Punkte am Faden hervor; damit kann man sich dann selbst was aussuchen. Das hätte mir auch gefallen damals.

20 Comments

  • FeeMail sagt:

    Der ist ja süß :)!

  • Liisa sagt:

    Ach Smilla!! Mal wieder ganz großes Kino!!

  • Anonym sagt:

    oh wie schön, so bunt da! und herr schmidt passt so gar nicht ins kirmes-klischee. ich würd jetzt gern nach oldenburg. 😉
    viele grüße aus der verschneiten (und immer noch schneienden) heimat!

  • Jürgen sagt:

    Tolle Fotos & ´ne schöne Geschichte 🙂

  • Oona sagt:

    Wunderbare Geschichte und mir gefallen Deine Bilder sehr gut!!

  • Birgitt sagt:

    …ein interessanter Mensch mit viel Ausstrahlung. Bewundernswerte Einstellung zum Leben und Arbeiten.
    Danke fürs vorstellen,
    LG von Birgitt

  • Anonym sagt:

    Das sind ganz, ganz tolle Fotos, liebe Smilla! ^^

  • rebhuhn sagt:

    DU WARST IN OL :D! wie cool. da komme ich doch her, ne? *g fadenziehen kannte ich noch gar nicht, aber der lamberti-markt ist toll – leider kriege ich dieses jahr nicht viel davon mit, weil ich erst am 23. hochfahre…. bist du zwischen dann und dem 5.1. nochmal in OL :)?

  • Klickerklacker sagt:

    Nach diesem Hammerpost (der Weg nach Oldenburg hat sich wirklich gelohnt!) darfst du dir bei mir ALLES aussuchen!

    Tausend Dank!

    …und Pippi in den Augen…

  • smilla sagt:

    Rebhuhn, nee, da bin ich nicht in Oldenburg; ganz vielleicht noch mal Mitte des Monats. Da kommst du also her… 🙂

    Klickerklacker, na das ist ja ein Angebot, muss ich dafür an einem Faden ziehen oder kann ich mir jetzt einfach was wünschen?

    Freut mich, ihr alle, dass der Herr Schmidt so eine schöne Resonanz hat. Ich hab ne ganze Weile an seiner Bude gestanden und hab mich unheimlich gefreut dass ich ihn angesprochen habe

  • Margit sagt:

    Eine schöne Geschichte und wieder ein sehr interessanter Mensch, den du da getroffen hast. Vielen Dank.
    LG Margit.

  • Guido Renner sagt:

    Liebe Smilla,
    Deine Geschichte von Hr.Schmidt rührt auf ihre eigene Art wie es jede Deiner Geschichten auf Ihre Art tut. Ein Genuß zu lesen und zu schauen.
    Viele Grüße, Guido

  • Anonym sagt:

    Hallo Smilla,
    du machst das was wir uns nicht trauen. Du siehst einen Menschen und fragst ihn nach seiner Geschichte und die Leute erzählen…weil sie das ja gern tun, wenn wir uns trauen würden zu fragen,würden sie es uns auch erzählen, aber wir trauen uns nicht und deshalb erfahren wir nichts!
    Ich liebe deinen Blog genau wegen den Geschichten und natürlich auch wegen den Persönlichkeiten an denen ich mich manchmal gar ncht satt sehen kann.
    Danke!
    Ulli

  • Pyrgus sagt:

    So erfreulich, von so engagierten, älteren Mitmenschen zu lesen. So will ich auch alt werden! Vielen Dank fürs posten!

  • smilla sagt:

    Ulli, da sagst du was 🙂 (fragen hilft)
    Vielen Dank für's nette Kompliment

    Pyrgus, da kann ich dir nur zustimmen. Oder auch wie die Quastenflosserin, zum beispiel…

    Quastenflosser

    Danke nochmal ihr alle für eure schönen Kommentare 🙂

  • Anonym sagt:

    schöne geschichte! bin ganz der meinung von herrn schmidt: wenn man das, was man tut, gerne tut, dann sollte man noch nicht damit aufhören!

  • Eva sagt:

    Hallo Smilla,

    Du – hier in Oldenburg? Das ist ja cool, dass Du auch mal einen so netten Menschen hier in meiner Heimatstadt getroffen, fotografiert und gesprochen hast. Kenn ich noch gar nicht diese Bude, muss ich gleich in den nächsten Tagen mal hin auf den Lambertimarkt.

    Mach weiter so mit Deinem tollen Blog!
    Ich lese und schaue hier sehr gerne rein!

    Liebe Grüße aus Oldenburg von Eva

  • Konzertheld sagt:

    Hach wunderbar, mal einer der so gerne arbeitet dass er nicht in Rente geht solange er gesund ist. Das finde ich klasse, und ich finde, es macht jungen Menschen wie mir auch ein bisschen Mut dass man doch mal gerne arbeiten können wird und nicht nur fürs Geld…

    Die Fotos sind übrigens klasse, solche wie das wo er die Münzen nimmt finde ich besonders toll. 🙂

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