Die belgische Küste ist ungefähr 66 Kilometer lang, und wenn man Reisenden und ihren Berichten glauben darf zeichnet sie sich nicht durch naturbelassene Strände und malerische Dünenlandschaften aus. Im Gegenteil scheinen über größere Strecken plattenbauähnliche Wohnburgen die betonierten Strandpromenaden zu säumen. Schön, womöglich mit mehr als einem „ö“, oder einem einleitenden „so“, ist nicht der vorherrschende Kommentar; ganz besonders schlecht kommt die belgische Küste in diesem mare-Artikel weg, in dem die Autorin fragt, wieviel Hässlichkeit ein Landstrich verträgt.
Ich weiß nicht was dran ist am Plattenbau-Makel, denn ich war nur in Oostende und das auch nur für drei Tage. Dort allerdings stehen in der Tat ganz schön viele Wohn- und Appartementsilos am Meer herum. Es gibt jedoch auch reichlich Häuser und Gebäude, die entstanden sind, lange bevor die … äh … Prachtbauten der 70iger Jahre hochgeschustert wurden. Und so finden sich in Oostende allerorten Bauwerke in architektonischer Nachbarschaft, die nicht nur seltsam fremd beisammen stehen, sondern auch einen stummen Dialog zu führen scheinen.
Weiter gehts, bitte hier entlang …
Weiter gehts, bitte hier entlang …
Oostende hat einen nüchtern-romantischen Charme, der das Wort Ostblock in meinem Kopf hochspült. Das ist zum einen natürlich nur ein gestriges Klischee, und beschreibt zum anderen einen geografischen Teil der Welt, den ich genausowenig kenne, wie den Rest der belgischen Küste.
Vielleicht weil ich ohne Erwartungen nach Oostende gefahren bin, vielleicht weil ich Orte gerne nehme wie sie sind; ich mag diese Stadt am Meer, wie sich Oostende selbst bezeichnet. Trotz all der Plattenbauten. Und irgendwie finde ich auch den Gedanken sympathisch, dass unheimlich viele Menschen dort die Möglichkeit haben, auf einem Balkon mit Meerblick zu sitzen.
Vielleicht weil ich ohne Erwartungen nach Oostende gefahren bin, vielleicht weil ich Orte gerne nehme wie sie sind; ich mag diese Stadt am Meer, wie sich Oostende selbst bezeichnet. Trotz all der Plattenbauten. Und irgendwie finde ich auch den Gedanken sympathisch, dass unheimlich viele Menschen dort die Möglichkeit haben, auf einem Balkon mit Meerblick zu sitzen.
Sitzen kann man ohnehin sehr gut in Oostende; wirklich überall wird einem das Platz nehmen leicht gemacht. Locker hingestreute Stühle aus Stein, Bänke aus Holz, und Treppen, deren Stufen auch als Sitzgelegenheit erdacht wurden. Liegestühle gibt es ebenfalls in großer Zahl; die zu mieten kostet allerdings Geld.
Na gut, diese Stühle passen nicht ganz in die Serie; sie sind eine kleine Reminiszenz am meine beiden Istanbul–Sitzreihen.
Sehr viele Menschen sitzen also am Meer. Die meisten gucken es dabei an. Einige schweigen.
Ich vermute, dass ein großer Teil der Einheimischen des Meeres wegen am Meer lebt. Und der überwiegende Teil der Touristen deswegen herkommt. Zum Beispiel um eben einfach ein bisschen am Meer herumzusitzen. Oder um Hand in Hand daran entlang zu gehen …
Ich vermute, dass ein großer Teil der Einheimischen des Meeres wegen am Meer lebt. Und der überwiegende Teil der Touristen deswegen herkommt. Zum Beispiel um eben einfach ein bisschen am Meer herumzusitzen. Oder um Hand in Hand daran entlang zu gehen …
… oder zu rennen.
Nun ist Oostende aber auch eine Stadt und nicht nur ein Steg zum Meer. In den Einkaufsstrassen reihen sich die gleichen Läden aneinander, wie überall in anderen Städten auch. Sicher gibt es einige lokale Preziosen zu entdecken; mir war nicht danach sie zu suchen. Dennoch bin ich einmal durchs Getümmel geschlendert und dachte währenddessen, wie laut doch die Musik in den Geschäften sein muss, wenn man sie draußen noch so gut hört. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis mir aufgefallen ist, dass überall die gleiche Musik läuft. Und noch ein bisschen später habe ich dann schließlich begriffen, dass die Musik nicht aus den Geschäften kommt, sondern aus Lautsprechern, die überall an den Häusern angebracht sind.
Passenderweise lief im Moment meines Verstehens Pink Floyd; genauer gesagt schepperte es gerade „We don’t need no education“ aus den schwarzen Boxen, die – weil häßlich – an dieser Stelle ersatzweise und völlig überspitzt von gelben Lampen dargestellt werden.
So lebhaft das System Stadt auch sein mag, und wie bunt die Blüten, die es treibt; die Zwangsbeschallung in den Einkaufsstrassen hat mich innerlich den Kopf schütteln lassen. Und mir kam auch der Gedanke, dass Oostende sich hier selbst um seine Würde bringt. Als könne es trotz all der aufgestellten Stühle die eigene und eigenwillige Schönheit selbst doch gar nicht sehen. Als könne es nicht auf sich selbst vertrauen.
Oostende, das hast du doch gar nicht nötig.
Oostende, das hast du doch gar nicht nötig.
Nach Oostende wurde ich von Flandern Toursimus eingeladen, die freundlicherweise meinen Aufenthalt und die Anreise bezahlt haben. Vielen Dank dafür!
wie "immer":
sooo schön deine fotos und was du schreibst!
danke dafür!
waldwanderer
Am galantesten hat sich meines Erachtens der Vogel (die Möwe?) platziert – und dort ist man dann vielleicht auch über jegliche Dauerbeschallung erhaben; wobei die Lautsprecher ja auch in gewisser Höhe hingen, wenn ich das richtig verstanden habe. Auf ganz eigene Weise berührt mich, ohne das ich es zu erklären wüsste, das Kerzenständerbild. Danke für Deinen fotografischen und schreibenden Blick, der so wohltuend anders ist als der im Gegensatz dazu fast vernichtend wirkende im mare-Artikel!
Schade das mit der Musik… Ist mir gar nicht so aufgefallen als ich letztes Mal mit meinem Belgier da war. Ich könnte mir vorstellen daß da meine eigenen Klänge doch sehr viel angenehmer rüber kommen würden.
Hach, das Meer….
Liebe Smilla, an dieser Stelle einmal ganz herzlichen Dank für deine wunderbaren Bild/Wort-Essays, die ich immer sehr genieße :)) und die mir nie langweilig werden. Du hast da eine eine herrliche Balance gefunden und deine Sicht der Dinge ist zugleich zurückhaltend als auch wertschätzend und innerlich – einfach elegant! Aber ich hätte Frage: mir ist aufgefallen, dass du fast nur Hochformate verwendest, hat das einen besonderen Grund?
Liebe Eva, erst mal herzlichen Dank für deinen Kommentar, ich freue mich!
Und zu deiner Frage: da sprichst du echt ein Thema an; bei diesem post zum Beispiel habe ich, schweren Herzens, drei Querformate aussortiert, weil sie hier im Blog einfach zu klein sind die Querformate. die wirken immer so eng und beengt, und mich ärgert das dann so sehr, dass ich sie lieber weglasse.
Ganz zu Beginn war ich glaube ich mal sehr verliebt ins Hochformat, das hat sich im Laufe der Zeit geändert, und ich fotografiere nun viel im Querformat. Wenn ich zb eine Hochzeit, oder Reportage wie auch immer, fotografiere, dann überwiegend nur im Querformat.
Ich muss dieses Blogquerformat endlich mal lösen, aber wie es so ist: da hängen noch so viele andere Sachen dran, die entschieden werden müssten und dann, naja, schiebt man es so vor sich hin. Eigentlich ein Unding. Also, danke dir für die erinnernde Inspiration! Smilla
Was meinst du denn mit deinen eigenen Klängen? Die Musik ist übrigens nicht überall, nur in den Haupt-Konsumzonen. Am Meer nicht, da schallert es höchstens aus den einzelnen Buden und Cafes heraus. Das fand ich letztes Jahr in Brighton so verstörend: da steht man auf dem wunderschönen Brightonpier, den mittig ein riesiges Spiel- und DaddelCasino besetzt hält, und am Ende ist der Rummelplatz mit Fahrgeschäften und Kirmesmusik. Ich meine: am, nein schon im Meer. Erstaunlich. Aber die Leute mögens scheinbar.
Liebe Anna, vielen Dank. Mit dem Vogel das war Glück 🙂
Danke, danke, danke, dass du mein Oostende-Gefühl so schön in Bilder übersetzt, d.h. Du hast die Fotos gemacht, die ich auch gern gemacht hätte.
Ah, verstehe … ja, durch die Seitenleiste rechts kann das Querformat dann nur sehr klein bleiben, stimmt. Und die Fotos brauchen schon eine Größe, das ist wirklich wichtig. Ich finde aber die Hochformate (und deine Auswahl bes.) haben schon ein gewisses Etwas, vielleicht, weil es aus dem vertrauten Sehbild ausbricht, wir sind ja alle sehr auf das Querformat fixiert (durch Film + Monitore). Und deine Bilder unterstreichen das noch … ja, ein schönes Blogthema zu finden, das clean ist, aber nicht zu stylisch, ist nicht einfach, ich bin gespannt, welches es dann so wird!
oh, na das ist ja toll, du kennst also Oostende, umso schöner dein Kompliment, vielen Dank
endgute, perfekte fotos. ich mag deinen blick für das drumherum. die sind echt super. strand/meer/menschen – das sind meine liebsten motive und du hast sie wirklich top eingefangen.
groetjes
vreeni
von freak in you
Ich glaube, ich habe das gerade komisch formuliert – als ich deine ersten "Stadt am Meer"-Bilder gesehen habe, habe ich mich tierisch gefreut und gehofft, dass Du einen ähnlichen Eindruck und Blick vom Ort haben würdest wie ich. Ich habe mich gefragt, was wir wohl von Oostende zu sehen bekommen. Ich habe ganz viel wieder erkannt und ich fand es schön, mir Dir quasi noch mal nach Oostende zu fahren.
Oh, das ist ja eine ganz wunderbare Geschichten-Sammlung, in die ich hier zufällig hineingestolpert bin! Ich mag gar nicht wieder aufhören zu blättern, zu schauen, zu lesen und mich zu freuen über all die feinen (Ein-)Blicke. Tausend Dank fürs Teilen – ich komme wieder!
Da fällt mir ein Satz von meiner Mutter ein. "Dort wo Wasser ist, ist auch das Leben."
Danke für die Fotos. Jetzt habe ich Sehnsucht nach Meer.
Am Meer zu leben, dass ist immer noch ein Traum von mir. Eine muss dann nur eben auch mit den Touristen leben. Es sei denn, eine lebt da, wo die nicht hinwollen *lach*
Hm… Dauerbeschallung in so einem großen "Raum" wie eine (Innen-)Stadt, dass stelle ich mir gerade ungut vor. Wo doch das Meer meinem Empfinden nach so wundervoll und mächtig klingt.
Warum mir das Wort "Oostende" hier immer wieder so gefällt??
LG Oona
Danke für die Liebe, mit der du alle und alles betrachtest – und für deine liebevollen Worte – Und so schöne Fotos! Danke – habe den Artikel mit deinen Fotos als einen der drei heutigen Glücksmomente in mein (nagelneues) Glückstagebuch aufgenommen.
Prima, prima Beitrag! Deine Ostblock-Assoziation kommt mir auch immer in den Sinn – dass die ganze belgische Küste so aussieht wie Bulgarien 1975 habe ich nie verstanden.Belgien ist sowieso ein gar rätselhaftes Land mit vielen Widersprüchen: Das Albanien der Nordsee.
Ach Mr Wilson, you made my day! Albanien des Nordens, ich schmeiss mich weg.
Oh, da werden Erinnerungen wach. Mein erster Ausflug ans Meer war tatsächlich ein Trip nach Oostende. Ist schon ein paar Jahre her, aber ich fand es damals einfach umwerfend.
Ooooostend! Da war meine Oma einmal mit mir hin, um es mir zu zeigen. Ich erinnere mich nur noch daran, daß wir an einem Geländer standen, ich mich rüberbeugte, und es waren überall Möwen…..
Und natürlich Belgien, in seiner essentiellen Form. Es ist dreckig, laut, schrill, und es gibt Möwen und Tauben (wie wahrscheinlich in ganz vielen anderen Städten auch), aber ich asoziiere das mit Belgien. Ich hab meine Oma nämlich ganz besonders lieb gehabt und war in meiner Kindheit oft bei ihr zu Besuch in Deurne (ein Vorort von Antwerpen).
Ja – Belgien. du hasst es oder Du liebst es. Ich habe mich für die erste Möglichkeit entschieden, ich konnte gar nicht anders. Schon ganz ganz lange her….
Herzlichen Dank für Deinen Beitrag, mich hat schon so lange niemand mehr nach Ooooostend mitgenommen… *schwärm*
Herzliche Grüße,
Beltane
Seltsames Oostende – dort war ich irgendwann an einem bedeckten Junitag Anfang der Neunziger. Hingeraten, über die Autobahn mit der gelben Natriumdampflampenbeleuchtung, gelotst von einem sehr jungen, sehr belgischen Ehepaar. Sie wollten meinem Mitfahrer, der noch nie vorher das Meer gesehen hatte, ihr Meer zeigen.
In Oostende an der Strandpromenade war mein Gefühl erst: Ostblock, Platte, Schattenstrand, doof. Aus Höflichkeit gegenüber unseren Belgiern habe ich natürlich nichts von alledem laut ausgesprochen.
In der Zwischenzeit war der Mitfahrer sofort durch den grauen Sand zum noch graueren Wasser gestapft, steckte die Hände hinein, roch Salz, drehte sich zu uns um, strahlte und sagte ganz andächtig: "Meer". Er hatte die Seltsamkeit der hohen Häuser hinter den Strandpavillons, die den Strand noch dunkler machten, überhaupt nicht bemerkt.
Wir saßen danach auf diesen Betonstühlen herum und alles war so eigenartig komisch und melancholisch, dass ich zwanzig Jahre später noch ziemlich oft an die drei Nachmittagsstunden in Oostende denken muss. Und mich so sehr gefreut habe,dass du Oostende ähnlich paradox empfindest und dass es endlich herrliche Fotos zu diesem Gefühl gibt. Danke, Smilla!
(Der Belgier war übrigens Physiker und sein Kommentar zu den Hochhäusern analytisch-trocken:"Die in Oostende haben es tatsächlich geschafft die wenigen Sonnenstrahlen von ihren Badegästen fernzuhalten. Ist gut, gibt weniger Hautkrebs."
Herzliche Grüße
Marge
Mich hat der Beitrag wunderbar an Oostende erinnert, geradezu dorthin versetzt, weil ich mein einziges Wochenende in Oostende auch wunderbar fand. Denn dort verliebte ich mich in die dorthin Mitreisende und sie sich in mich. Insofern ist nicht zuletzt dieses riesige Hochhaus vom zweiten Bild für mich immer eine sehr angenehme Erscheinung, die nur warmes Strömen weckt, so wie es auch während – fast -.jeder Minute in der Stadt der Fall war, ob nun wegen des Meeres, des Salzes, des durchaus nicht immer so sauberen, aber sympathischen Belgienseins, wie auch immer. Diese eine Liebe ist lange verflossen, aber meine zu Oostende wurde hiermit wieder aufgefrischt.
Vielen Dank dafür, toller Beitrag.
Vielen Dank, Hagen, für diesen schönen Kommentar!
Hallo Marge, vielen dank, was für eine tolle Geschichte. Nun sehe ich im Geiste euch auf den Stühlen sitzen, auf den leeren, die mein Foto zeigt. viele Grüße!