Lebendigkeit und Ruhe

Gerda lebt im Epizentrum des Kölner Studentenlebens. Die Lebendigkeit des Viertels möchte sie nicht missen, aber etwas mehr Ruhe in der eigenen Wohnung hätte sie schon gern. Ruhe, um sich zu konzentrieren, Ruhe zum Malen, zum Lesen – Ungestörtheit eben. „Momentan ist es so, dass ich von meiner Nachbarin alles höre. Also wirklich alles.“  Dass Jung und Alt in der Stadt nah zusammenleben findet Gerda eigentlich schön: „Aber das Mischungsverhältnis muss stimmen.“ Zunehmend hat sie das Gefühl, dass sie unter immer weniger Alten zwischen immer mehr Jungen lebt – und dass sich diese Entwicklung in der Zukunft deutlich fortsetzen wird.

In wenigen Wochen wird Gerda deswegen umziehen. Nach der neuen Wohnung hat sie lange gesucht, aber nun ist sie zuversichtlich, dass sie die richtige gefunden hat. In das Viertel, in dem sie jetzt wohnt und an dem sie so hängt, kann sie dann noch immer bequem zu Fuß laufen: „Das war mir wichtig!“ sagt Gerda. „Meine Kinder würden sagen, da wo ich hinziehe, ist es spießig, aber eine Tochter von mir wohnt auch dort, und deswegen weiß ich, dass die Wohnungen eine gute Schalldämmung haben.“


Die graue Mütze hat Gerda selbst gehäkelt

Gerda ist 72 Jahre alt und sie hat vier Töchter. Die Älteste ist 32, die Jüngste 26. Gerda war 38, als sie ihren zweiten Mann kennengelernt hat, mit 40 kam das erste Kind. Was heute nicht mehr sonderlich unüblich ist, war damals eher die Ausnahme.
Berufstätig ist Gerda nicht mehr, früher hat sie in der Berufsbearbeitung gearbeitet – beim Arbeitsamt, wie es damals noch hieß. Sie hat Menschen, die ihren alten Beruf nicht mehr ausüben konnten, geholfen, herauszufinden, welches denn möglicherweise ein neuer Beruf sein könnte. „Aber das ist ja schon so lange her …“, sagt Gerda.

Schon immer hat Gerda viel gemalt, und das macht sie auch heute noch. In Öl oder Acryl, abstrakt oder gegenständlich: „Wenn ich eine Idee habe, versuche ich sie umzusetzen. Manchmal sind es auch nur Skizzen, die ich mir im Urlaub oder unterwegs mache.“
Ihre jetzige Wohnung ist voll mit ihren Bildern: „Das ist ein Altbau, da ist es leicht, die alle unterzubringen. Mal sehen, wie es in der neuen Wohnung wird.“ Ausgestellt hat sie ihre Bilder schon lange nicht mehr, sie zeigt sie eher im Freundeskreis. Ihre Kinder ermutigen sie immer wieder, sich eine Homepage einzurichten, aber Gerda ist noch nicht sicher, ob sie das möchte.
Nun steht erst mal der Umzug bevor, und die neue Zeit, die damit beginnt. „Meine neue Wohnung hat auch einen Balkon.“ sagt Gerda. „Mit Blick auf den Dom!“

19 Comments

  • Anonym sagt:

    Berührende, wirklich "sprechende" Fotos und, was mir auch sehr gut gefällt: im Text kein Wort zuviel.
    Für mich eine sehr nachdenkenswerte Vorstellung eines Menschen. Danke. Angelika

  • Anna sagt:

    Dieser Post passt gut dazu, dass heute eine Lärmminderungsstrategie für NRW beschlossen wurde. (Hab' ich irgendwo gehört; ich weiß aber nicht mehr wo.)

    Ich wünsche Gerda einen gelingenden Umzug und dann eben so viel Ruhe und Lebendigkeit, dass beides sich in einem für sie richtigen Gleichgewicht befindet, so dass sie leichter dazu kommt, das zu tun oder zu lassen, was gerade ihrem Bedürfnis entspricht.

  • Astrid Ka sagt:

    Sehr schöne Fotos von einer beeindruckenden Frau!
    GLG
    Astrid

  • kathrin sagt:

    Wow, was für eine starke Persönlichkeit.
    Wenn ich mir als Kind (so mit 7/8 J.) mich als Erwachsene vorgestellt habe, dann war ich ca. 30 Jahre alt. In meiner Vorstellung total seriös und konservativ. Auch jetzt mit 41 Jahren bin ich weit von meiner damaligen Verstellung entfernt – zum Glück.
    Und wenn ich mir vorstelle, dass ich mit 72 Jahren SO wirke wie Gerda, dann bin ich jetzt schon stolz auch mein späteres Ich.
    Tolle Frau, tolle Einstellung und sehr toller grüner Schal;)
    LG und vielen Dank für diesen Text.
    Kathrin

  • Jetzt würde ich gerne ihre Bilder sehen. Und ihre Wohnung(en).
    Wunderbares Portrait, in Wort und Bild.

    Liebe Grüße . Minza

  • Isidora sagt:

    Ich möchte mit 72 genau das. Lässig an einer Wand lehnen, in coolen Klamotten und gefunden haben, was mir wichtig ist im Leben! Das ist toll!!!
    Liebe Grüße,
    Isi

  • mo jour sagt:

    starke, lebendige bilder.
    ein berührender text.
    dein klarer blick für die menschen.
    gerdas klarer blick in die (kamera-)welt.
    immer wieder danke.
    und alles gute
    der darstellerin
    und der dargestellten.
    (wie so oft in deinen beiträgen scheinen subjekt und objekt zu verschmelzen, ich kann es gar nicht anders ausdrücken, das ist so untrennbar EINES, ein gesamtes: du, die bilder, die dame, der text, ihre augen, oh ihre augen!)

    ps.
    mir fällt dazu das lied "gerda" von klaus hoffmann ein.

  • Anonym sagt:

    Was für eine tolle Frau und ein schönes Vorbild für´s Alter.
    Danke!

  • Diese Augen, dieser wache Blick – ganz tolle Fotos!!!!

    LG Astrid

  • Anonym sagt:

    Tolle Muetze und tolle Frau.
    Ich wuensche Gerda alles Gute und viel Zufriedenheit und Glueck in der neuen Wohnung.
    LG
    Sandra

  • smilla sagt:

    Liebe Mo Jour, was für schöne Worte! Vielen lieben Dank, ich freue mich sehr darüber!

  • smilla sagt:

    So gehts mir auch, ich würde gerne ihre Bilder sehen!

  • smilla sagt:

    Danke, Anna, ich würd die Wünsche gerne weitergeben!

  • Webschmetterling sagt:

    Gerda befindet sich, wie ich, in der schönen Jugend des Alters.
    Sie schaut hübsch und forsch/flott aus, nein also man sieht ihr die Zahl,
    die oben steht, ganz und gar nicht an.
    Zum Umzug wünsche ich alles Gute und viel Freude und Ruhe
    in der neuen Wohnung und ein prima Miteinander mit den übrigen Hausbewohnern.
    Auch finde ich es gut, dass eine der Töchter dort in der Gegend wohnt.
    Alles Liebe und Gute.
    Liebe Grüße
    vom Webschmetterling 🙂

  • Oona sagt:

    Moin Smilla,
    das sind die Frauen, die ich mir als "Vorbild" suche. Frauen, die mit 70 ihren Weg gehen und dabei noch so … ja, Wertung… gut aussehen und so klar und wach im Geist sind. DANKE für diese Bilder und Worte.
    Ich wünsche ihr von Herzen, dass ihre neue Wohnung für sie ein "ruhigeres" Zuhause wird.
    Selbst gerade auf der Suche nach einem Zuhause, bewundere ich ihren Mut. Ich habe 28 Jahre in Städten gewohnt. Ich überlege ins Randgebiet zu ziehen. Um aus der engen und lärmenden Großstadt rauszukommen. Es hat alles Vor- und Nachteile.
    Möge Gerda in der Stadt eine Ruheinsel im Trubel finden.

    ***

    Ich freue mich sehr, dass Du etwas Zeit findest hier zu schreiben. Deine Bilder und Deine Sicht auf Menschen empfinde ich als wohltuend und inspirierend.
    Viele liebe Grüße
    Oona

    P.S. Ich schaffe es tatsächlich endlich nach Köln. Zum Womansrun :O) Natürlich werde ich versuchen den Dom zu besichtigen.

  • Gabriela sagt:

    Was für eine wunderschöne Frau mit einer jugendlichen Ausstrahlung. Gehe sehr berührt und beschenkt weiter. Danke! Gabriela

  • ..wirklich ein schönes und Mut machendes Porträt für einen persönlichen Ausdruck in jeder Lebensphase 🙂 Danke von Karina Kleidermacher- Atelier Lübeck

  • Angela sagt:

    …. wow, was für eine tolle Frau. Ein Blick, der ganz tief schaut. So würde ich auch gern mit 72 sein.
    Liebe Grüße
    Angela

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