Baumarkt und Bibliothekskarte

 

„Ich reise nicht so gern, aber ich wollte gerne mal woanders leben für eine Weile“ sagt Eva. Und so hat für ein paar Monate ihre Heimat in der Schweiz verlassen, um den Sommer in Köln zu verbringen. Sie hat sich ein Zimmer gesucht und sich ein we­nig Halt geschaffen in der Fremde: „Ich fühl mich wohl wenn ich einen Raum habe, wo ich Zettel mit Ideen und Notizen aufhängen kann, weiß wo der Baumarkt ist und eine Bibliothekskarte besitze.“
„I don’t really like to travel, but I had the wish to live abroad for a while“ Eva says. So she has left her home in Switzerland to live in Cologne during summertime. She rented herself a room to create her private basis: „I feel comfortable when I have a room, where I can pin notes and ideas on the wall, when I know where the DIY market is located and when I own a library pass.“

In der Schweiz hat Eva als Kleinkind­erzieherin gearbeitet und sich gleichzeitig ihren eigenen großen und kleinen Kunst­projekten gewidmet. „Irgendwann war ich aber durch meine Arbeit so ausgeschöpft, dass ich gar nicht mehr schöpferisch sein konnte.“ Sie hat ihre Stelle als Erzieherin aufge­geben und ihren Fokus verlagert: auf ihren ganz eigenen Blick in die Welt, auf Dinge und auf sich selbst, dem sie mit ihrer Kunst ein Gesicht gibt.

In Switzerland Eva used to work as a child care worker, while she applied herself on her small and big art projects at the same time: „Someday I felt so outworn that I couldn’t be creative anymore.“ She has quit her job as a child care worker and shifted her focus: on her individual eye for the world, for things and for herself, which she now  translates into her individual art.

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So konsequent und folgerichtig sich Evas Abkehr vom Ausgeschöpftsein liest, so behutsam und nachdenklich erlebe ich sie bei unserem Treffen. Sie ist gerade dabei ihre Ausstellung Schwarm vorzubereiten, die gleichzeitig den Abschied von Köln einläutet, als ich sie im Klub Genau besuche.
Wenn Eva spricht, dann wählt sie ihre Worte wohl, sie gleicht permanent das Gesagte mit ihrem gegenwärtigen Blick­winkel ab, zögert, korrigiert sich, lacht, und schon sind ihre Augen wieder auf einen diffusen Punkt im Irgendwo gerichtet, dem sie sich innerlich auf einem Nebenarm ihres wachsamen Geistes bereits lauschend ge­nähert hat.
Wenn Eva spricht, dann spürt man, dass es nur der kleinere Teil ist, den man gerade erfährt. In ihr scheint ein ein komplexes, filigranes Räderwerk mehrdimensional und unablässig am arbeiten zu sein.

As consequent and coherent Evas decision sounds, as cautious and ruminative I witness her during our encounter. She’s just preparing her exhibition Schwarm, which heralds her departure from Cologne at the same time, when I visit her at Klub Genau. When Eva speaks she chooses the words carefully, she constantly reviews her words with her current perspective, hesitates, corrects herself, laughs and a second later her eyes yet put attention to some vague point far away, to which her alert mind applies itself  as a sideline.

When Eva speaks one can feel, that it’s just the smaller part, which is told. There seems to be a complex and filigree wheelwork in herself, which is constantly busy in mutidimensional ways.

Wir beginnen unser Gespräch auf zwei Bar­hockern, die im Raum herumstehen. Aber dann möchte Eva sich lieber aufs Sofa setzen. Sie drückt sich in eine Ecke und wirkt unmittelbar entspannter.
Eva erzählt von ihrer Kunst: wo sie in ihr losgeht, bevor eine äußere Sichtbar­machung stattfindet. Ohne unruhig oder abgelenkt zu wirken ändert Eva immerzu irgendeine Kleinigkeit: mal holt sie was zu trinken, mal setzt sie ihre Kappe ab und wieder auf. Sie legt sich einen Pulli um, nimmt ihn wieder weg. Sitzt schliesslich nur im Tank-Top da und zaubert irgendwo ein gestreiftes Hemd her, das sie anzieht.
We start our talk sitting on some bar stools, which are standing around in the room. But then Eva suddenly prefers to sit on the sofa. She leanes herself agoinst the very edge of the armrest and she seems to be more relaxed, immediately.
Eva talks about her art work, where it starts inside herself before it becomes visualized. Without radiating restlessness or seeming distracted Eva constantly keeps changing details: she brings something to drink, she puts off her cap and then on again. She wraps a sweater around her neck, puts it off again. Finally she just wears her tank-top and then she suddenly takes out a striped shirt from somewhere.

„Kann man das auch anders sehen?“ scheint eine Frage zu sein, die Eva sich permanent stellt. Sie ist nicht bereit,  Dinge und Situationen auf bekannte Weise als ge­geben an- und hinzunehmen. Sie versucht sich frei zu machen von Mustern im Kopf, die den Blick und das Handeln ein­schränken. Deswegen hinterfragen sie und ihr Schalk im Nacken dauernd alles. Mit sensiblem Humor erweckt Eva einen Schwarm Gartenscheren zum Leben oder ermöglicht kleineren Verletzungen eine schriftliche Würdigung.
„Can I put a different look on this?“ seems to be question Eva keeps asking herself. She’s unwilling to accept the common view on things and situations, she tries to get rid of mind patterns, which put a limit on sensing and acting. For this reason keeps questioning almost everything. With a fine sense of humor she makes alive a bunch of garden shears or she appreciates small injuries by special plasters.

Eine Arbeit von Eva trägt den Titel Umbau; es ist eine Installation die im Werden begriffen ist und das vermutlich auch bleiben wird. „Innere Hindernisse sammle ich auf diesen Brettern. Später werde ich sie wieder in mehrere Regale einpassen und damit meinen gesamten Arbeitsplatz verbauen.“ schreibt Eva auf ihrer Home­page. Es geht ihr um die Akzeptanz, um das Annehmen der eigenen (vermeint­lichen) Unzulänglichkeiten, die Zweifel am Selbst aufkommen lassen. Was wenig Wertschätzung in sich trägt heisst Eva ge­wissermaßen mit Wertschätzung willkom­men. Eigene Urteile und Glaubenssätze, die nicht selten mit unbarmherziger Härte die eigene Person torpedieren, sollen nicht ins Dunkel gedrückt werden, sondern bekommen einen sichtbaren Platz im Leben.
One of Evas art pieces is titled Alteration; it’s an installation in progress. „I collect my inner obstacles on these boards. Later I will build several shelves out of them to obstruct my worktable with them,“ Eva writes on her homepage. To her it’s a matter of acceptance of own (so called) deficiencies, which arouse self-doubts. What contains no esteem will be bidden welcome with esteem. Own judgements and belief systems, which sabotage one relentlessly, are not meant to be remained untold, but to be unveiled.


Foto: >>©Eva Streit

„Ich stelle es mir spannend vor, wenn ich meinen Arbeitsplatz nur erreichen kann, wenn ich mich durch die Regalbretter gearbeitet habe, auf denen all die inneren Hindernisse stehen, die mir das Arbeiten ja wirklich schwer machen,“ sagt Eva.

Mit der Arbeit „Liebes Ungeliebtes“ nähert sich Eva dem Thema auf etwas andere Weise:

„I think it’s exciting, when I only may enter my worktable after passing through all these boards, where my inner obstacles are written on which make it hard for me to work.“ Eva says.

With her work „Beloved Unbeloved“ Eva approaches the same topic  from another direction:


Foto: >>©Eva Streit

Inzwischen ist Eva wieder zurück in der Schweiz. Sie hat sich entschieden ein Kunststudium zu beginnen. Auch ohne Ma­tura, (so heißt das Abitur in der Schweiz) ist sie an zwei Kunsthochschulen angenom­men worden: ’sur dossier‘ ist der wohl­klingende Name für eine schöne Möglich­keit.
Meanwhile Eva is back in Switzerland. She decided to study art. Even without having an A-level she’s got accepted at two art colleges.

 

Eva hatte zunächst Zweifel, ob sie sich überhaupt den Regeln und Mustern eines Studiums aussetzen möchte. Inzwischen fühlt sie sich aber stabil genug, um sich nicht im Einfluss-Wirrwarr des Hochschul­betriebes zu verlieren.
First Eva had some doubts, if she’s ready to get confronted with all the rules and patterns of a study. But meanwhile she feels solid enough not to get lost. „If you want to be a professional you definitely need to socialise and therefor a study could be helpful,“ Eva assumes.

 

 

„Aus Köln habe ich mir eine Portion Mut mitgenommen,“ schreibt Eva in einer mail. Vielleicht kommt sie Ende des Jahres wieder her: „Wenns bald klappt mit einem Job, werd ich einen Kunst-Beitrag am Jahresende in Köln machen, bei einer Künstlertruppe.“
„I brought some courage from Cologne with me, “ Eva writes in a mail. Maybe she’ll be back at the end of the year: „If I’ll find a job soon I’ll participate with an art piece in the context of an artist group.“

 

 

Liebe Eva, ich danke dir für den ent­spannten Nachmittag und wünsch dir alles Gute!
Dear Eva, thank you so much for the easygoing encounter. I wish you all the best!
Getroffen habe ich Eva übrigens, weil eine Rundmail mit ihrer Ausstellungsanküdigung zufälligerweise den Weg auch zu mir gefunden hat. Ich habe mir dann – eher aus einer Laune heraus – Evas Seite angesehen und das Bild mit dem Regal entdeckt. Zur Ausstellung konnte ich nicht gehen, und ich hatte auch eigentlich überhaupt keine Zeit für Extratouren, aber mein Interesse war geweckt und so habe ich die Rundmailschreiberin um den Kontakt  zu Eva gebeten und habe sie am nächsten Tag getroffen. Ja, so war das mit Eva. 
20.10.2013

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